ana.words, ein pfingsttag 3/11

ana.words, ein pfingsttag 3/11
8. August 2001 michael
In Allgemein
3/11 

 SERGEJ AUSLAENDER Ein Pfingsttag 


Nach einigen Tagen gewoehnten sie sich aber an die neue
Situation und hoerten ohne jede Verlegenheit Wolodjas
Ratschlaegen zu: wo sie sich eine Wohnung mieten, welche
Moebel sie neu anschaffen und welche sie sich von den Eltern
geben lassen muessten, und wie sie am besten den etwaigen
Widerstand der Alten brechen koennten. Und selbst wenn
Woladja sich diskret zurueckzog und sie unter vier Augen
blieben, setzten sie das seltsame Spiel fort, das sie so
amuesierte und erregte.

Sie irrten durch die Strassen, musterten die Haeuser, in
denen sie sich einmieten wuerden, und sahen sich einmal
wirklich eine Wohnung an.

"Eine lustige Wohnung", redete ihnen der gespraechige Portier
zu: "Nicht teuer und mit allen Bequemlichkeiten. Wollen Sie
sie sich nur ansehen, meine Gnaedige. Hier ist das
Badezimmer, hier die Kueche; sie ist allerdings etwas klein,
aber auch Ihre Familie ist nicht gross."

Wjerotschka runzelte geschaeftig die Stirne, um nicht
aufzulachen, und sah sich mit Interesse das Badezimmer, die
Kueche und die Maedchenkammer an.

Wenn sie in ihren Plaenen etwas zu weit gingen, fuhr
Wjerotschka manchmal heftig dazwischen:

"Wir sind wirklich wie die Kinder. Wie kann man sich nur so
lange mit solchem Unsinn abgeben! Wegen der Reise allein hat
es sich wirklich nicht gelohnt, soviel Staub aufzuwirbeln.
Und erst die unangenehmen Auseinandersetzungen mit Mama, die
mir bevorstehenl Von Papa rede ich schon gar nicht: das wird
eine richtige Tragoedie sein."

Aljoscha fuehlte sich auf einmal gekraenkt, als ob wirklich
etwas Glueckseliges und Lustiges zusammenstuerzte. Er verstand
aber nicht zu widersprechen und schwieg. Es war noch ein
Glueck, dass Wjerotschka nicht lange duester und gereizt
bleiben konnte. Und sie fing wieder zu lachen an.

"Seien Sie doch kein Wauwau, mein unerwarteter Herr
Braeutigam! Solange wir lustig sind, wollen wir uns freuen,
und wenn wir es einmal satt haben, so geben wir es auf. Das
ist alles. Es lohnt sich wirklich nicht, eine Tragoedie zu
beginnen. Das Ganze ist ja nur eine lustige Posse."

Und sie gaben sich wieder ihren Plaenen hin, und wieder
entstand das seltsame Gespenst einer echten, suessen, ein
wenig unheimlichen Wirklichkeit. Sie spielten gleichsam
Theater, sprachen fremde Worte, an die sie beinahe glaubten,
und hatten das lustige Gefuehl der Freiheit, das Spiel
abzubrechen oder fortzusetzen.


>> morgen gehts weiter!

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a n a . w o r d s
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