ana.words, ein pfingsttag 2/11

ana.words, ein pfingsttag 2/11
7. August 2001 michael
In Allgemein
2/11 

 SERGEJ AUSLAENDER Ein Pfingsttag
 
 
Einmal vor Ostern katte Aljoscha mit grosser Begeisterung
vom Leben auf seinem kleinen Heimatgute im Nowgoroder
Gouvernement erzaehlt: von seiner Familie, den drei
halbwuechsigen Schwestern, dem drolligen Nachbarn und vom
einfachen, lustigen und sorglosen Landleben.

"Ich bin noch niemals auf dem Lande gewesen", seufzte
Wjerotschka.

"Kommen Sie doch einmal mit Wolodja zu uns!" fiel ihr
Aljoscha ins Wort.

"Sie sind wohl verrueckt! Wird man mich denn fahren lassen?
Ich erzaehle den Meinigen auch jetzt nie, dass ich mit Ihnen
spazierengehe; ich sage jedesmal, dass ich eine Freundin
besuche. Bis zur siebenten Klasse wurde ich sogar in die
Schule vom Dienstmaedchen begleitet."

Halb im Scherz schmiedeten sie Fluchtplaene. Sie sprachen
darueber nicht einmal und nicht zweimal, sondern jeden Tag,
und so kam es, dass sie sich schliesslich fuer verlobt
erklaerten.

Als die Rede zum erstenmal darauf kam - es war in der
halbfinsteren Kajuete eines Newadampfers -, fuehlte sich
Aljoscha von einem unheimlich suessen Gefuehl ergriffen. In
der ersten Nacht nach diesem Gespraech konnte er schlecht
schlafen, und als er den gewohnten Weg zum Stelldichein an
der Ecke des Wladimirskij- und des Newskij-Prospekts ging,
wohin Wjerotschka mit der Trambahn zu kommen pflegte, fuehlte
er sich ungewoehnlich erregt und verlegen. Auch Wjerotschka
war auffallend vertraeumt und nachdenklich und sagte, dass
sie Kopfschmerzen habe und dass ihre Mutter nicht ganz wohl
sei, was sie sehr beunruhige; den gestrigen Plan und die
Reise nach Medwjedewka (so hiess das Gut der Eltern
Aljoschas) beruehrten sie mit keinem Wort, und das Gespraech
wollte ueberhaupt nicht ordentlich in Fluss kommen. Erst beim
Abschied versuchte Wjerotschka ungezwungen zu laecheln,
obwohl ihre Mundwinkel zitterten, und fragte:

"Nun, sollen wir auch Wolodja von unserem Plan erzaehlen oder
lassen wir es lieber sein?"

"Gewiss, gewiss, sagen Sie es ihm nur. Es wird so lustig
sein. Wir werden auf dem Lande zusammen ausreiten",
antwortete Aljoscha, waehrend ihn eine seltsame dunkle Unruhe
beschlich.

Wolodja nahm den Entschluss Aljoschas und Wjerotschkas mit
Sympathie und durchaus ernst auf. Er war ueberhaupt ernst und
genau.

"Wann wollt ihr euch denn trauen lassen?" fragte er.

"Das sind ja doch nur Plaene!" antwortet Wjerotschka so
hastig, als haette sie ploetzlich Angst bekommen.

"In solchen Dingen kann ich keine Ungewissheit begreifen",
entgegnete Wolodja. Und er begann, vor dem verlegenen
Brautpaar auf und ab gehend, zu eroertern, wie sich alles am
besten einrichten liesse.

"Nun sind wir schoen hereingefallen", rief Wjerotschka
lachend aus, als sie mit Aljoscha allein geblieben war.
"Passen Sie auf: jetzt entwischen Sie nicht, die Eltern
kommen mit ihrem Segen, und dann koennen Sie nicht mehr
zurueck!"


>> morgen gehts weiter!

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