ana.words, ein pfingsttag 4/11

ana.words, ein pfingsttag 4/11
9. August 2001 michael
In Allgemein
4/11 

 SERGEJ AUSLAENDER Ein Pfingsttag 


Aljoscha fuhr Mitte Mai nach Medwjedewka. Wjerotschka
begleitete ihn zum Bahnhof. Sie war traurig und zaertlich.

"Nein, wirklich, ich werde mich hier ohne Sie furchtbar
langweilen. Ich habe mich schon so sehr an unsere
Spaziergaenge gewoehnt und..." sie stockte: "... an unsere
Gespraeche. Wir sind wie zwei gute Freunde. Haben Sie nur
keine Angst, ich schwoere Ihnen, dass ich aus unserer
abscheulichen Sommerfrische in Pawlowsk durchbrenne und zu
Ihnen komme. So oder anders werde ich mir schon einen Urlaub
erzwingen. Auch Wolodja hat mir seine Unterstuetzung
versprochen, er ist aber ein ernster Mensch. Heute schon
fange ich mit den Vorarbeiten an."

Aljoscha war bei der Abreise sehr traurig. Nur die Gedanken
daran, wie er die Neuigkeit in Medwjedewka verkuenden, wie er
Wjerotschka am Bahnhof abholen und wie er ihr alle seine
Lieblingsplaetzchen zeigen wuerde, gaben ihm einigen Trost.
Die ganzen sechs Stunden der Eisenbahnfahrt ging er im
Korridor auf und ab und blickte auf die gruenenden Felder und
den lenzlich erroetenden Abendhimmel hinaus.

Zu Hause empfing ihn die ganze Familie mit allen Hunden und
Dienstboten lustig und mit grossem Laerm. Seine Schwestern
Sina, Schura und Rajetschka erzaehlten ihm um die Wette
Neuigkeiten aus der Schule und vom Lande und warteten mit
kindlicher Ungeduld auf die kleinen Geschenke, die Aljoscha
allen, vom Familienhaupt Anatolij Iwanowitsch bis zum
Kutscher Iwan und der alten Kinderfrau Awdotja mitzuhringen
pflegte.

Aljoscha sass aber wie auf Nadeln. Seine eigene Neuigkeit
brannte ihm auf der Zunge.

Als alle endlich schlafen gegangen waren und Jelisaweta
Sergejewna mit einer Kerze in der Hand Aljoscha begleitete,
um nachzuschauen, ob in seinem Zimmer alles richtig
vorbereitet sei, fuehlte er ploetzliches heftiges Herzklopfen
und sogar einen leichten Schwindel. Als die Mutter ihn zum
Abschied kuesste und schon fortgehen wollte, hielt Aljoscha
sie bei der Hand zurueck.

"Mama, ich will dir eine wichtige Neuigkeit mitteilen." Und
er verstummte verlegen.

"Du willst wohl heiraten?" fragte ploetzlich Jelisaweta
Sergejewna und setzte sich auf sein Bett.

"Ja", antwortete Aljoscha leise.

Jelisaweta Sergelewna schien gar nicht erstaunt, und ihre
Erregung war eher freudig.

"Nun, es ist ja sehr schoen. Ihr werdet es aber nicht leicht
haben. Du bist noch ein Kind, aber das macht nichts. Ich und
dein Papa haben in der ersten Zeit ja auch wie Studenten in
nur einem Zimmer gehaust und vom Stundengeben gelebt. Aber
es war doch eine schoene, leuchtende Zeit!" Als Jelisaweta
Sergejewna dies sagte, nahm ihr noch nicht altes, aber schon
von feinen Runzeln durchzogenes Gesicht einen traeumerischen
und jugendlichen Ausdruck an. "Vergiss aber deine Eltern
nicht. Jetzt wohnst du zwar nicht mehr bei uns, aber ich
weiss doch immer, dass du einmal gefahren kommst und unser
lieber Aljoscha bist. Vergiss uns nicht!" Lange sprachen sie
so. Aljoscha erzaehlte von Wjerotschka und hatte dabei das
Gefuehl, dass das Ganze doch mehr als ein amuesanter Scherz
sei, und Traenen der Ruehrung und der Freude stiegen in ihm
auf und benebelten seine Augen.


>> morgen gehts weiter!

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