ana.words, sitzen als pflicht (teil 4)

ana.words, sitzen als pflicht (teil 4)
5. Juni 2020 tbz
In ana.politwords
hier wird innenpolitik gemacht. man befasst sich wenig mit welt, man
befasst sich mit umwelt. kleine anfragen betreffen "tage der
landesverteidigung in genf", "sozialversicherungsabkommen", "rueckfluss
der silbermuenzen". einem buerger wurde vom bundesgericht aus
formaljuristischen gruenden unrecht getan. der rat befasst sich damit,
versetzt sich in die lage des mannes, sein name wird genannt, er ist
hier eine person. es gibt wenige grundsatzdiskussionen hier, aber es
gibt personen.

der einzige arbeiter im rat aeussert sich nicht zu sozialfragen. er
schlaegt nur vor, dass man erlauben sollte, das feldschiessen auch mit
einer andern als der persoenlichen ordonanzwaffe schiessen zu duerfen,
weil gute schuetzen mit dem sturmgewehr schlechter treffen und aus
diesem grunde dem feldschiessen fernbleiben. auch das sind die probleme
seiner kollegen, die er hier vertreten will. im uebrigen sind fast alle
geschaefte finanzgeschaefte. es geht um zahlen, immer wieder um zahlen.
wir haben sieben finanzdepartemente. ueber die kosten wird immer als
erstes diskutiert und oft als einziges.

die redner erschrecken nicht vor den "zeichen der zeit". die zeichen
sprechen so oder so fuer sie. wer dem hochschulfoerderungsgesetz
freundlich gestimmt ist, erklaert, unsere studenten seien ruhig und
verdienten die foerderug. wer eher dagegen ist, erklaert, unsere
studenten seien ruhig, und das spreche doch dafuer, dass es mit unseren
hochschulen nicht schlecht bestellt sein koenne. ein redner nennt
zahlen. wir stehen nicht sehr guenstig in der internationalen statistik
mit unserer hochschulbildung. der naechste redner erklaert, dass das mit
den statistiken eben so eine sache sei und dass die russen die fernkurse
mitzaehlen oder so. genau weiss er es nicht, er weiss aber, dass das mit
statistiken halt so eine sache ist.

ein redner sagt "seit 1291", vielleicht meint er "seit 1848", aber das
spielt keine rolle. die zuhoerer sind abgebrueht. sie lassen sich auch
von jahreszahlen nicht erschuettern. wichtig ist nur die abstimmung, und
das ergebnis ist meist zum vornherein bekannt. spannend ist hoechstens
das stimmenverhaeltnis, interessant vielleicht, wie die pda stimmt und
wer mit ihr. der mann in helllblau und ocker enthaelt sich ab und zu der
stimme.



aus: sitzen als pflicht 
in: des schweizers schweiz © 1969 
von: peter bichsel 

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