ana.words, ein pfingsttag 1/11

ana.words, ein pfingsttag 1/11
6. August 2001 michael
In Allgemein
1/11 

 SERGEJ AUSLAENDER Ein Pfingsttag 

Zart duftete das Laub nach dem Regen. Ein dreifacher
Regenbogen spannte sich ueber den Huegel, und als die schwere,
vom Arzt entliehene Equipage die steile gerade Strasse
hinauffuhr, kam es Aljoscha vor, als ob auf dem Huegel ein
dreifacher Triumphbogen fuer ihn und fuer sie, die er eben von
der Bahn abholte, errichtet waere.

Diese Strasse, die lustigen Waldstreifen, die gruenen Wiesen,
alles, was Aljoscha von Kind auf so gut vertraut war,
erschien ihm jetzt neu und herrlich. Oder kam es nur daher,
weil der Regen alles rein gewaschen und erneuert hatte? Der
junge Hafer leuchtete frischer, die kleinen Baeche im gelben
Sande laengs der Strasse rieselten lustiger, die Voegel
zwitscherten lauter, und die klebrigen, ueber die Strasse
herabhaengenden Zweige peitschten ihm ins Gesicht und
ueberschuetteten ihn mit feinem Regenstaub. Runde weisse
Wolken schwammen ueber den grellblauen Himmel, und wenn die
Pferde auf die nassen, den Himmel spiegelnden Steine traten,
so schien es, als ob die Strasse mit blauen Steinen
gepflastert waere.

Aljoscha war den ganzen Tag ruhig gewesen; nur als am
Vormittag der erste Sommerguss niederging, hatte er ein
unangenehmes Gefuehl gehabt; dafuer war er jetzt von Freude
und ungewoehnlicher Erregung ergriffen. Er hatte sogar
vergessen, dass das Ganze nur ein Scherz war, den sie nun
volle zwei Monate trieben: Braut und Braeutigam zu spielen.

Aljoscha war schoen einundzwanzig, sah aber wie ein Knabe
von sechzehn, siebzehn aus; wenn er seine Studentenuniform
anzog, staunten alle: "So jung und schon Student!"

Mit Wolodja Sujew war er schon auf dem Gymnasium befreundet
gewesen, aber sein Verkehr im Hause der Sujews hatte erst in
diesem Jahre begonnen. Der Schwester Wolodjas, Wjerotschka,
hatte er niemals den Hof gemacht, hatte sie weder um ihr
Bild gebeten noch ihr je seine Liebe gestanden; es war ihnen
beiden einfach furchtbar lustig zumute, Nvenn sie zusammen v
aren, und es kam oft vor, dass sie zu dritt mit Wolodia
Theater, Ausstellungen und Konzerte besuchten. Aljoscha und
Wjerotschka waren ausserdem beide musikalisch, und General
Sujew selbst pflegte, wenn er sich nach dem Essen in den
weichen Sessel setzte, zu sagen: "Nun, Kinderchen, spielt
mir einmal den Marsch, den von den Goettern!" Und sie
trommelten den Marsch aus der "Goetterdaemmerung" herunter.
Wenn der General aber einschlief, spielten sie Chopin,
dessen zarten Frohsinn sie dem strengen Heroentum Wagners
vorzogen.

Im Fruehjahr bereitete sich Wolodja auf die Pruefungen vor,
und Aljoscha und Wjerotschka hatten nun oefter Gelegenheit,
zusammen zu sein. Sie fuhren oft mit den kleinen
Newadampfern auf die Inseln oder irrten durch den
Sommergarten. Noch niemals war Aljoscha der bleiche
Petersburger Fruehling so schoen erschienen, noch niemals
hatte er sich so jung und ruestig gefuehlt, noch niemals hatte
ihm das Leben soviel Unerwartetes versprochen!

>> morgen gehts weiter!

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a n a . w o r d s
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