Lee Friedlander At Work ist eine umfassende Darstellung von Menschen an ihren Arbeitsplätzen, beginnend mit einer Museumskommission 1979, die Friedlander nach Ohio und Pennsylvania führte. Dort beobachtete er Arbeiter und Arbeiterinnen an komplizierten und schweren Maschinen beim Stanzen, Schweißen und Montieren. Er entdeckte, dass jeder Arbeitsplatz eine eigene Logik hat, die den Arbeiter monumentalisiert oder miniaturisiert, mönchisch abschließt oder als Kommunikator frei in den Raum stellt. Statt nun den Menschen gegen die Maschine herauszuarbeiten - als Humanum zu rehabilitieren, wie klassische Industrie- und wohlmeinende Arbeiterfotografen es immer getan haben -, erkannte Friedlander den Zusammenhang als unauflösbar. In seinen Fotografien gibt es nichts, was stört, weil ohnehin alles dazugehört: Die Rückwände und Träger, die Schläuche und Lichter, die optischen Hilfen, die Sitzgelegenheiten, übergehend in Handschuhe, Tätowierungen, Arme, Dauerwellen, Bluejeans, Augen und Münder. So wie man als Laie Maschine und Produkt nur mühsam unterscheiden kann, werden die Arbeiter selbst Teil eines durchkonstruierten Zusammenhangs, mal symbiotisch verschmolzen mit der Apparatur, dann wieder wie ein Fremdkörper dort hineingesetzt - Produkt aus einer anderen Fabrik. Der zweite große Block der Arbeitsplätze wurde 1986 in Chippawa Falls im Staat Wisconsin bei der Computerfirma Cray aufgenommen. Der Leiter der Fabrik hatte Friedlander selbst bestellt, um eine Arbeit zu visualisieren, die vom Mikroskop über die Festplattenmontage bis zur Verknüpfung hunderter von Kabelverbindungen nach den Mühen des Sisyphos aussah. Im eigenen Auftrag erkundete Friedlander, wie Menschen aussehen, deren Arbeit nur noch auf dem Bildschirm des Computers stattfindet. Mit der Abstraktion der Arbeit, so erkennt man im Vergleich mit den Maschinenarbeitern, hat sich die Konzentration immaterialisiert. Stellt man den Bildschirm nicht dar, starren die Nutzer in einen haarsträubend undefinierten Raum. Das Hollywoodporträt der Entdecker, Hacker, Fahnder ist dagegen mindestens ein Euphemismus. Die eigentümlichste Bildgruppe zeigt nahe Porträts von Figuren mit geschlossenen Augen, deren Köpfe eingespannt sind in Kopfhörer und Mikrophone. Man meint, zurückversetzt worden zu sein in die Studios der Musiker, die Lee Friedlander als junger Mann begleitet hat. Um so schockierender ist die Einsicht in den Umstand, dass es sich um Angestellte im Telemarketing handelt, Telefonhausierer, deren süßliche Mienen im Akt der Verstellung offenbar unvermeidlich sind, und die sich auf die Stimme des zu Kaschenden am anderen Ende der Leitung konzentrieren wie auf einen Liebhaber. Angestoßen vom Magazin der New York Times, hat Friedlander auf ergreifende Weise visualisiert, was man getrost als Entfremdung bezeichnen darf: die Verbiegung des Subjekts durch die Unerbittlichkeit der Warenwelt." Ulf Erdmann Ziegler, Frankfurter Rundschau. -- = -- -- = -- -- = -- a n a . w o r d s mit bildern. von euch gescannt, gemalt, photographiert, gezeichnet. ihr malt, wir versenden. a n a . w o r d s aus dem hellblauen salon mailto:words@ana.ch http://ana.ch/words/ ana.txt seite 444 vragen & kommentare & texte, die ihr davon findet, sie seien es wert, dass es die ganze welt erfaehrt, oder mindestens die redaktion, dann mailto:words@ana.ch du willst auch? immer mehr? dann abonnier auch du ana.words: http://ana.ch/txt/444 hast du genug? immer weniger? dann bestell doch nicht ana.words ab: http://ana.ch/txt/444