mahalwords, blicke die toeten

mahalwords, blicke die toeten
14. April 1997 michael
In mahalwords
hier noch einen kleinen gruss vom tagi vom mittwoch (der am donnerstag, also
heute schon nicht mehr auf der Homepage verfugbar war!!)
motherfucking-bullhit-ashole-fuck-y'-all
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Wenn Blicke toeten koennten

von Juerg Spielmann

Warum dreht man ploetzlich den Kopf, wenn man angeschaut oder angestarrt wird?
Man fuehlt sich beobachtet, wie wenn man die Blicke auf sich ruhen spuerte.
Blicke haben eine sonderbare Kraft. Ja, mehr noch, sie sind wie eine Sprache,
eine Sprache ohne Worte, aber mit jener Wirkung, die den Worten eigen ist.

Blicke koennen ermutigen oder verletzen, bestechen oder verunsichern. Das faellt
besonders dem auf, der die Blicke nicht sehen kann und erst im nachhinein mit
Staunen erfaehrt, was da im Hin und Her der ausgetauschten Blicke schon alles an
"Gespraechen" abgelaufen ist. Da wurde bereits Sympathie oder Zurueckhaltung
bekundet, Interesse oder Gleichgueltigkeit signalisiert, ganz zu schweigen von
der Anerkennung und der Liebe, welche Blicke zu schenken vermoegen, oder vom
Zorn und vom Hass, den sie funkelnd verspruehen koennen. Wer waere nicht schon
froh gewesen, in kritischen Augenblicken etwa der Liebe oder des Streits die
Blicke sprechen zu lassen, ohne Worte zu gebrauchen? 

Wenn Blicke toeten koennten..., sagt der Volksmund. Ja, wenn Blicke toeten
koennten, dann waeren die Gerichte heillos ueberlastet. Aber gluecklich waeren
jene, die nichts sehen, weil die Blicke sie nicht treffen koennten. Das ist die
Kehrseite fuer den, der vom Wechselspiel der Blicke ausgeschlossen ist: Nicht
alles was ihm entgeht, ist von Nachteil oder gar ein Verlust. Manchmal bedeutet
es sogar Ruhe, ersparten AErger oder Unvoreingenommenheit. Zudem: Was wirklich
gesagt werden will oder muss, wird nicht nur mit Blicken mitgeteilt, sondern in
Worte gefasst, wobei der Tonfall der Stimme und vor allem die Wortwahl den
Ausdrucksmoeglichkeiten der Blicke in nichts nachstehen. Wenn Worte toeten
koennten...

Gewiss, neben der Mimik gibt es auch andere Formen der nonverbalen
Kommunikation. Davon wuessten die Haende viel zu berichten. Doch selbst fuer
blinde Menschen sind Blicke nicht bedeutungslos. Auch Nichtsehende koennen
Blicke zuwerfen, wenn auch deren Wirkung im Gesicht des Gegenuebers nicht
unmittelbar abzulesen ist. Und einen Blick auf sich ruhen fuehlt man mitunter,
auch ohne zu sehen, als haette der Schauende oder die Starrende in der Tiefe der
Seele eine feine Saite zum Klingen gebracht.

Wenn Blicke toeten koennten, so vermoechten sie auch neues Leben zu geben.

Juerg Spielmann lebt in Zuerich. Er ist blind.

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gruss

postman@letec.ch



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