ana.words, weg vom bilderbuch

ana.words, weg vom bilderbuch
11. Juli 2013 tbz
In Allgemein
"es war nach einer sitzung in bern gewesen. blatter hatte
rueckwaertsfahren muessen, weil der zug voll besetzt war. vielleicht aus
zuneigung zu seinem chef teilte er dessen abneigung gegen bern. es war
anstrengend, an eidgenoessischen sitzungen teilzunehmen und so zu tun,
als woegen die argumente der vertreter aus uri, fribourg oder appenzell
genauso viel wie die eigenen. er haette sich sitzungen mit vertretern
aus berlin, paris und london gewuenscht. deshalb liebte er die einfahrt
in seine stadt durch das verbaute limmattal und das industriequartier, es
war die heimkehr aus dem bilderbuch. dabei blickte er normalerweise nach
vorn, den fluss entlang auf sein ziel hin: das universitaetsgebaeude,
die kirchtuerme. rueckwaerts war alles anders. er musste seinen blick
auf den mietskasernen ruhen lassen, die nicht den weg in die stadt
anzeigten, sondern das ausufern der haeuser in den kanton aargau. sie
wirkten zu wenig elend und die ueberbauungen waren nicht weitlaeufig
genug, um als kulisse eines revolutionaeren arbeiterfilms dienen zu
koennen, aber gleichzeitig waren sie zu billig, um zur lebenswelt des
ortsueblichen mittelstandes zu gehoeren. sie oeffneten ein nichts in
blatters fantasie, das ihn verstoerte. er hatte sich noch nie mit einem
beamten aus einer dieser vorortsgemeinden getroffen, fiel ihm ein, und
dieser gedanke war der anfang eines projektes, fuer das sie spaeter
bundesgelder aus einem spezialkredit beschaffen konnten, aber das
wichtigste an dieser zugfahrt war, dass sich in blatters ruecken das
zentrum aufloeste, auf das er zufuhr. er sah nur noch strassen,
quartierwege, stillgelegte geleise, die von ihm weg in eine unbekannte
nachbarschaft fuehrten, und es haette ihn nicht gewundert, wenn der zug
in keinem hauptbahnhof angekommen, sondern direkt nach waedenswil,
arth-goldau  und weiter in den kanton uri gefahren waere.

er war dann im hauptbahnhof ausgestiegen und hatte sich gefreut, dass
seine stadt noch da war; groesser und unbekannter als zuvor. um den
moment vor der ankunft festzuhalten, hatte sich der ausdruck
"zentrumsverlust" an "rueckwaerts einfahren" gekettet (...)"

aus "in zelenys zimmer"
von annette hug
rotpunktverlag

tbz erinnerte das an mani matters lied "ir ysebahn"
mit dem rueckwaerts und vorwaerts fahren
anzuhoeren hier:
http://youtu.be/f-vId0NsY14
und weiss sonst nicht recht,
was von bern und zueri und aargau halten in dem text
und vom buch insgesamt
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a n a . w o r d s
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words@ana.ch
http://ana.ch/words/
ana.txt seite 444

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