fortsetzung von gestern: die hochsommerliche metropole glich einem tempel der betaeubenden mattigkeit, der vor tausenden jahren von einem lange verschollenen, dem hitzekult froenenden volk errichtet worden war. der unruhige schlaf zog koerper in einen kochenden kratersee, randvoll mit klebrigen ascheflocken und stuecken loechrigen bimssteins. oeffnete man die fenster, stroemte in die engen, weder mit klimaanlage noch ventilator ausgestatteten zimmer luft ein, die feuchter als eine duchnaesste bettdecke war und die hautporen verklebte wie ein auf der haut liegendes, warmes stueck fleisch, doch mit geschlossenem fenster verfluechtigte sich der sauerstoff beaengstigend schnell, bis die luft aus nichts als hitze bestand. ein absoluter rausch des verderbens. die schlafstatten des augusts glichen saeulen heissen wasserdampfes, aufsteigend aus einem sumpf, der die erinnerung an eine verstorbene vorfahrin barg. ein reich quaelender visionen, die die traeume des menschen durchzogen, drang aus seiner kochenden oberflaeche hervor und schwebte ueber der stadt. luft, heisser als die hitze des hochsommers, wurde zu transparenten kugeln, die in ein herz nach dem anderen eindrangen und sich dabei schmerzhaft langsam zwischen ihnen hin und her bewegten. die kristallisation unsichtbaren wachses zerriss unaufhoerlich haut und durchbohrte fleisch. stuecke schwelenden fleisches. schleimbildende membranen, uebersaet von brandwunden. das atmen war ein zug ins verderben. fielen die stadtbewohner in den schlaf, war ihr koerper erbarmungslos vom schweiss durchnaesst und wurde zu ewig gluehender kohle. so brannten sie flammenlos die ganze nacht hindurch. erreichte die hitze um die mittagszeit ihren hoehepunkt, trank er kaltes bier aus dem kuehlschrank und sie ass einige stuecke gurke. schalteten sie das oben auf dem regal stehende kastenradio ein, war immer nur der wetterbericht zu hoeren. die maennliche radiostimme las sehr langsam die vorhersage vor und betonte dabei jede silbe. tagsueber. lufttemperatur. dreissig. grad. celsius. kein. wind. kein. schatten. gefahr von. feuer. dreissig. grad. kein. wind. kein. schatten. tagsueber. vorausichtlich. luftspiegelungen. in der stadt. schmelzen. des asphalts. und. der autoreifen. kein. wind. keine. wolken. keine. schleimbildenden membranen. gefahr. von feuer. keine. farben. im himmel. und in der luft... die kerze auf dem fenstersims war zerlaufen, ohne jemals gebrannt zu haben. das wachs hatte sich in der sengenden hitze verzogen und war zu einer klaeglichen form geschmolzen, die auszudruecken schien, wie seltsam liebe vergehen kann. am ende der hitzewelle blieb von den menschen nichts als asche uebrig. sie wurden zu schattenhaften, grauen geistern. aus: "weisse nacht" von: bae suah (koreanische originalausgabe erschienen 2013, auf deutsch bei suhrkamp herbst 2021) ja. so ist das mit dem sommer. schoenes wochenende! -- = -- -- = -- -- = -- a n a . w o r d s aus dem hellblauen salon furcht und schrecken seit 1997 mailto:words@ana.ch http://ana.ch/words/ ana.txt seite 444 vragen & kommentare & texte, die ihr davon findet, sie seien es wert, dass es die ganze welt erfaehrt, oder mindestens die redaktion, dann mailto:words@ana.ch du willst auch? immer mehr? dann abonnier auch du ana.words: http://ana.ch/txt/444 hast du genug? immer weniger? dann bestell doch nicht ana.words ab: http://ana.ch/txt/444