ana.words, killing an arab

ana.words, killing an arab
18. Mai 2022 tbz
In sex, drugs and techno
tbz hat euch heisse sommer versprochen.
also: hitze. also: grosses leiden.
dummesummermachschmerchummer.

und zwar in literarischer form.
sogenannte lohu-momente, 
wie kuerzlich von eriz eingefuehrt
(https://ana.ch/ana-words-lohu-momente/ ).

heute: heiss, unertraeglich, blendend
aus einem modernen klassiker.
morgen und uebermorgen 
heiss, unertraeglich, hirnerweichend
aus einem neuen buch.

los gehz:


Die Sonne fiel fast senkrecht auf den Sand, und ihr Glanz auf dem Meer
war unerträglich. Es war kein Mensch mehr am Strand. Aus den Hütten, die
am Rand des Plateaus über dem Meer standen, hörte man das Klappern von
Tellern und von Besteck. Man atmete mit Mühe in der trockenen Hitze, die
vom Boden aufstieg.

(...)

Wir sind lange am Strand entlanggegangen. Die Sonne war jetzt drückend.
Sie zerbrach auf dem Sand und auf dem Meer in Splitter.

(...)

Nach einer Weile bin ich wieder an den Strand zurückgekehrt und
losgegangen.
Es war dieselbe rote Explosion. Auf dem Sand hechelte das Meer mit den
schnellen, erstickten Atemzügen seiner kleinen Wellen. Ich ging langsam
in Richtung der Felsen und fühlte meine Stirn unter der Sonne
anschwellen. Diese ganze Hitze stemmte sich auf mich und widersetzte
sich meinem Vorankommen. Und jedes Mal, wenn ich ihren starken heißen
Atem auf meinem Gesicht fühlte, biss ich die Zähne zusammen, ballte die
Fäuste in den Hosentaschen, spannte mich ganz an, um die Sonne und
diesen undurchdringlichen Taumel, den sie über mich ergoss, zu
bezwingen. Bei jedem Lichtschwert, das aus dem Sand emporgeschossen kam,
aus einer gebleichten Muschel oder einer Glasscherbe, verkrampften sich
meine Kiefer. Ich bin lange gegangen. Ich sah von weitem die kleine
dunkle Masse des Felsens, umgeben von einem blendenden Hof aus Licht und
Meeresdunst. Ich dachte an die kühle Quelle hinter dem Felsen. Ich hatte
Lust, das Murmeln ihres Wassers wiederzuhören, Lust, der Sonne, der
Anstrengung und den Frauentränen zu entfliehen, Lust, den Schatten und
seine Ruhe wiederzufinden.

(...)

Ich habe gedacht, dass ich nur umzukehren brauchte, und es wäre vorbei.
Aber der ganze vor Sonne flimmernde Strand drängte sich hinter mir. Ich
bin ein paar Schritte auf die Quelle zugegangen. Der Araber hat sich
nicht gerührt. Trotz allem war er noch ziemlich weit weg. Vielleicht
wegen der Schatten auf seinem Gesicht sah er so aus, als ob er lachte.
Ich habe gewartet. Das Brennen der Sonne stieg mir in die Wangen, und
ich habe gespürt, dass sich Schweißtropfen in meinen Augenbrauen
sammelten. Es war dieselbe Sonne wie an dem Tag, als ich Mama beerdigt
habe, und wie neulich tat mir vor allem die Stirn weh, und alle ihre
Adern pochten auf einmal unter der Haut. Wegen dieses Brennens, das ich
nicht mehr aushalten konnte, habe ich eine Bewegung nach vorn gemacht.
Ich wusste, dass es dumm war, dass ich die Sonne nicht loswürde, wenn
ich mich einen Schritt von der Stelle bewegte. Aber ich habe einen
Schritt gemacht, einen einzigen Schritt nach vorn. Und diesmal hat der
Araber, ohne sich aufzurichten, sein Messer gezogen und es mir in der
Sonne vorgezeigt. Das Licht ist auf dem Stahl aufgespritzt, und es war
wie eine lange funkelnde Klinge, die mich an der Stirn traf. Im selben
Augenblick ist der in meinen Brauen angesammelte Schweiß mit einem Mal
über die Lider gelaufen und hat sie mit einem warmen, zähen Schleier
überzogen. Meine Augen waren hinter diesem Vorhang aus Tränen und Salz
blind. Ich fühlte nur noch die Beckenschläge der Sonne auf meiner Stirn
und, undeutlich, das aus dem Messer hervorgeschossene glänzende Schwert,
das immer noch vor mir war. Diese glühende Klinge zerfraß meine Wimpern
und wühlte in meinen schmerzenden Augen. Und da hat alles gewankt.Das
Meer hat einen zähen, glühenden Brodem verbreitet. Es ist mir
vorgekommen, als öffnete sich der Himmel in seiner ganzen Weite, um
Feuer herabregnen zu lassen.

aus: "der fremde"
von: albert camus

ja. so ist das mit dem sommer.

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a n a . w o r d s
aus dem hellblauen salon

furcht und schrecken seit 1997

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