ana.words, jenseits und klaftertiefes horn

ana.words, jenseits und klaftertiefes horn
4. Januar 2001 michael
In Allgemein
das horn ist das serenste aller blechinstrumente, und das
teuflischste ist es auch. wie ein gutes restaurant an seiner
salatsauce zu erkennen ist, so ein orchester an der qualitaet
seiner hoerner. in allen bereichen jenseits der
signalfunktion eines schlicht optimistischen
jagd-schetterlings, dort also, wo es musikalisch spannend
wird, ist das horn saumaessig schwer zu blasen. ein
hindernis, erstmal. so hielten sich improvistaoren lange vom
stets absturzgefaehrdeten spitzmundstueck fern, im jazz tauchte
es zuerst in groesseren orchesterverbaenden auf, die sich
konzertsaal- und kunstmusik-ambizionen herausnahmen: bei
claude thornhill, in miles davis' -nonett, bei stan kenton, gerry mullignas tentett,
gelegentlich auch in formationen von minugs und natuerlich
bei gil evans.

das horn war gefragt als klangfarbe im arrangement. dass
sich darauf wirklcih solistisch improvisieran laesst, bewies
eigenlich erst julius watkins. er war, dwike mitchell hin,
john graas her, der pionier des jazz-horns, des  (weil im jazz auch jeder saxophonist sein instrument
horn nennt). in den polls, den jaehrlichen umfragen bei
publikum und kritikern nach den stars in jeder kateorie,
tauchen hornisten allenfalls in der rubrik  auf. in der diesbezueglichen liste der
august-ausgabe von  vinden sich die zwei
bedeutendsten jazzhornisten der gegenwart: tom varner und
john clark.

meistert einer das unding, leistet er unglaubliches. kein
instrument hat, rein vom klang her, eine solche spannweite
zwischen entruecktestem sehnsuchtspotenzial und brachialer
wucht. john clark nutzt beides, und mit einer truppe von
freunden ist ihm letztes jahr mit der cd  nicht
weniger als ein meisterwerk gelungen. dass er es erst in der
ramschecke seines haendles finden musste,  ist fuer den
wochentlicher auslober dieser kolumne so beschaemend wie der
umstand, dass es so rasch dort landen konnte und auch kein
kollege von der fachpresse darauf aufmeksam geworden ist.
clark hebt ab mit einer weltallweiten version von coltranes
, dann grummelt, tummelt und fummelt er sich durch
eine ebenso witzige wie gut gebaute <96th street sonata>,
bringt mit dem klassiker  den letzten
stein zum heulen und muendet nach drei weiteren miniaturen
ins opus magnum und titelstueck nebst nachgereichter elegie
(). beides ist kompositorisch so stark wie
solistisch ueberzeugend.

clark schafft alles, was auf seinem seelenblech moeglich ist,
den jenseitigsten lyrismus, die intimste direkte rede, den
pathetischsten tiefgang, und seine partner halten sich, wenn
auch mit verteilten rollnen, durchwegs auf seiner hoehe (allen
voran tenorist alex foster, girarrist ryo kawasaki,
trompeter stanton davis, bassist mike richmond).

bleibt nur zu hoffen, dass der genfer importeur
plainisphare noch ein paar exemplare dieses wunders
auftreiben kann.


john clak: i will. postcards 101

von peter rueedi
weltwoche nr 37, 10. september 1998

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