nur noch an silvester, nur noch sex plätze frei http://www.schauspielhaus.ch/wwwasp/ticketing/index.asp?vn=234 kritik aus dem bund: Der liebe Gott unterm Küchentisch Uraufführung von Sibylle Bergs Musical «Wünsch Dir was» im Zürcher Schiffbau: Ein rührendes Plädoyer für die unperfekte Spezies Mensch Wären die Menschen ein bisschen tierischer und würde der grossen Liebe nach Einzug des Alltags mit Nachsicht begegnet, bestände durchaus eine Chance zur Rettung der Welt. So lautet die Botschaft des überaus vergnüglichen Musicals. Der liebe Gott dreht durch. Und so ganz verübeln kann man es ihm nicht. Sein Opus Magnum, die Schöpfung, ist ihm gründlich misslungen. Um dies zu belegen, genügt es, die Mittagsnachrichten einzuschalten. Zur laufenden Verschlechterung von Gottes Laune trägt zudem Maria bei, die zu allen Registern greift, um ihn ins Bett zu kriegen, weil sie den Sohn Gottes noch immer nicht empfangen hat. Weit angenehmer sind da Gottes Begegnungen mit seinem Adoptivsohn Ralph, dem er einst den Part des Bösen zugeschanzt hat. Als williger Bösewicht ist der smarte Sohn gern bereit, dem frustrierten Vater die Argumente zu liefern, um die Schöpfungsgeschichte neu zu schreiben. Sieben Seelen in sieben Tagen? Kein Problem in einer Zeit, in der die Menschen bereit sind, ihre Seele für einen Auftritt am Fernsehen zu verkaufen. Eine vergnügliche Versuchsanordnung hat sich Sibylle Berg für ihr erstes Musical ausgedacht. Die deutsche Schriftstellerin, die seit Jahren in Zürich lebt und bis heute eher mit pessimistischen Analysen denn mit heiterer Zuversicht glänzte, überrascht in ihrem märchenhaften Musical «Wünsch Dir was» mit einem ebenso simplen wie währschaften Rezept, um aus dem heruntergewirtschafteten Planeten einen besseren Ort zu machen: Die Liebe in Grossbuchstaben leben und dann nachsichtig die Ansprüche zurückbuchstabieren, wenn der Alltag die kleinen Unzulänglichkeiten zutage fördert. Man könnte sich dabei an den Ameisenbären orientieren, empfiehlt Frau Berg, diesen zahnlosen Gesellen, die den ganzen Abend auf der Bühne herumrüsseln. Dass ein bisschen Tier nicht nur dem Menschen gut tut, weiss auch der liebe Gott, der gern in den Pelz eines Pudels schlüpft, wenn er die Nähe der Menschen sucht. So hockt er bei Patrik und Nicole unterm Küchentisch, derweil Ralph den beiden den Seelen-Deal aufschwatzt. Problemzonen Für ihr ebenso rührendes wie witziges Plädoyer für die Rettung der unperfekten Spezies Mensch bietet Sibyle Berg ein Personal auf, das sich bestens in den irdischen und himmlischen Problemzonen auskennt: einen Muslim auf der Suche nach Sex zum Beispiel, einen deutschen Menschenfresser als einfühlsamen Pädagogen. Kritisch beäugt werden zudem die Kamikaze-Absichten des lieben Gottes von den Göttern Buddha, Allah und Elohim, drei Dandys mit Bauchbinde, deren Treffsicherheit im Croquet ähnlich hoch ist wie im intellektuellen Pingpong. Ihnen steht eine Showtime-Treppe zur Verfügung, wie man sie von den grossen Samstagabendkisten am Fernsehen her kennt. Markus Schönholzer hat für die grossen Auftritte dort einen Soundtrack geschrieben, der mal an Udo Jürgens erinnert, mal an Frank Sinatra oder Adriano Celentano. Und der schlagerträchtige Groove bringt sie alle auf Touren: die empfängnisgeile Maria (Fabienne Hadorn), den rachsüchtigen Versagergott (Marcus Kiepe) und den teuflisch schönen Ralph (Tonio Arango), der sich auch mal auf Freuds Couch bettet und dem Vater zum Trotz die Welt rettet. Doch bis es so weit ist, wird noch die Liste der grossen Mängel ? von der Kinderarbeit bis zur Todesstrafe ? erstellt. In dieser glänzenden Show (Regie: Niklaus Helbling) der klugen Konversationen über triviale Wahrheiten ? «Dummheit ist die Akzeptanz des Status quo» ? kommt einzig die zentrale Liebesgeschichte zu kurz: Wie fast panikartig nach einer unnötigen Pause die wunderbar beschränkte Nicole (Nele Rosetz) zum reinen Seelchen umfunktioniert wird und der bocksfüssig coole Ralph endlich das Wunder der Liebe erlebt, gehört zu den wenigen Schwachstellen eines Musicals, das durchaus das Zeug zu einem Schweizer Exportschlager hat.