ana.words, gott maria gebenedeite empfängnis

ana.words, gott maria gebenedeite empfängnis
12. Dezember 2006 mahal
In Allgemein
nur noch an silvester, nur noch sex plätze frei

http://www.schauspielhaus.ch/wwwasp/ticketing/index.asp?vn=234


	kritik aus dem bund:


	Der liebe Gott unterm Küchentisch Uraufführung von
	Sibylle Bergs Musical «Wünsch Dir was» im Zürcher
	Schiffbau: Ein rührendes Plädoyer für die unperfekte
	Spezies Mensch Wären die Menschen ein bisschen
	tierischer und würde der grossen Liebe nach Einzug des
	Alltags mit Nachsicht begegnet, bestände durchaus eine
	Chance zur Rettung der Welt. So lautet die Botschaft des
	überaus vergnüglichen Musicals.

	Der liebe Gott dreht durch. Und so ganz verübeln kann
	man es ihm nicht. Sein Opus Magnum, die Schöpfung, ist
	ihm gründlich misslungen. Um dies zu belegen, genügt es,
	die Mittagsnachrichten einzuschalten. Zur laufenden
	Verschlechterung von Gottes Laune trägt zudem Maria bei,
	die zu allen Registern greift, um ihn ins Bett zu
	kriegen, weil sie den Sohn Gottes noch immer nicht
	empfangen hat.


	Weit angenehmer sind da Gottes Begegnungen mit seinem
	Adoptivsohn Ralph, dem er einst den Part des Bösen
	zugeschanzt hat. Als williger Bösewicht ist der smarte
	Sohn gern bereit, dem frustrierten Vater die Argumente
	zu liefern, um die Schöpfungsgeschichte neu zu
	schreiben. Sieben Seelen in sieben Tagen? Kein Problem
	in einer Zeit, in der die Menschen bereit sind, ihre
	Seele für einen Auftritt am Fernsehen zu verkaufen. Eine
	vergnügliche Versuchsanordnung hat sich Sibylle Berg für
	ihr erstes Musical ausgedacht. Die deutsche
	Schriftstellerin, die seit Jahren in Zürich lebt und bis
	heute eher mit pessimistischen Analysen denn mit
	heiterer Zuversicht glänzte, überrascht in ihrem
	märchenhaften Musical «Wünsch Dir was» mit einem ebenso
	simplen wie währschaften Rezept, um aus dem
	heruntergewirtschafteten Planeten einen besseren Ort zu
	machen: Die Liebe in Grossbuchstaben leben und dann
	nachsichtig die Ansprüche zurückbuchstabieren, wenn der
	Alltag die kleinen Unzulänglichkeiten zutage fördert.
	Man könnte sich dabei an den Ameisenbären orientieren,
	empfiehlt Frau Berg, diesen zahnlosen Gesellen, die den
	ganzen Abend auf der Bühne herumrüsseln. Dass ein
	bisschen Tier nicht nur dem Menschen gut tut, weiss auch
	der liebe Gott, der gern in den Pelz eines Pudels
	schlüpft, wenn er die Nähe der Menschen sucht. So hockt
	er bei Patrik und Nicole unterm Küchentisch, derweil
	Ralph den beiden den Seelen-Deal aufschwatzt.


	Problemzonen


	Für ihr ebenso rührendes wie witziges Plädoyer für die
	Rettung der unperfekten Spezies Mensch bietet Sibyle
	Berg ein Personal auf, das sich bestens in den irdischen
	und himmlischen Problemzonen auskennt: einen Muslim auf
	der Suche nach Sex zum Beispiel, einen deutschen
	Menschenfresser als einfühlsamen Pädagogen. Kritisch
	beäugt werden zudem die Kamikaze-Absichten des lieben
	Gottes von den Göttern Buddha, Allah und Elohim, drei
	Dandys mit Bauchbinde, deren Treffsicherheit im Croquet
	ähnlich hoch ist wie im intellektuellen Pingpong. Ihnen
	steht eine Showtime-Treppe zur Verfügung, wie man sie
	von den grossen Samstagabendkisten am Fernsehen her
	kennt. Markus Schönholzer hat für die grossen Auftritte
	dort einen Soundtrack geschrieben, der mal an Udo
	Jürgens erinnert, mal an Frank Sinatra oder Adriano
	Celentano. Und der schlagerträchtige Groove bringt sie
	alle auf Touren: die empfängnisgeile Maria (Fabienne
	Hadorn), den rachsüchtigen Versagergott (Marcus Kiepe)
	und den teuflisch schönen Ralph (Tonio Arango), der sich
	auch mal auf Freuds Couch bettet und dem Vater zum Trotz
	die Welt rettet. Doch bis es so weit ist, wird noch die
	Liste der grossen Mängel ? von der Kinderarbeit bis zur
	Todesstrafe ? erstellt. In dieser glänzenden Show
	(Regie: Niklaus Helbling) der klugen Konversationen über
	triviale Wahrheiten ? «Dummheit ist die Akzeptanz des
	Status quo» ? kommt einzig die zentrale Liebesgeschichte
	zu kurz: Wie fast panikartig nach einer unnötigen Pause
	die wunderbar beschränkte Nicole (Nele Rosetz) zum
	reinen Seelchen umfunktioniert wird und der bocksfüssig
	coole Ralph endlich das Wunder der Liebe erlebt, gehört
	zu den wenigen Schwachstellen eines Musicals, das
	durchaus das Zeug zu einem Schweizer Exportschlager hat.