mahalwords, alfred kuoni

mahalwords, alfred kuoni
30. November 1997 michael
In mahalwords
aus der reihe bedeutende menschen:


alfred kuoni

die welt, in der sich alfred kuoni, 83, seit einem halben
haarhundert bewegt, ist eine mit buechern vollgestopfte
zweizimmerwohnung. um den vom vater gegruendeten reisekonzern
kuemmert sich der eigensinnige millionaer und junggeselle
nur widerwillig.

text richard diethelm 
foto (?) sabina rueber

wenn ich formulare ausfuellen muss, schreibe ich unter der
berufsangabe jeweils . da weiss niemand so recht,
was das ist. als rentner wuerde ich mich nicht bezeichnen;
zu einem rentner gehoert doch ein gaertchen. ich besitze
weder ein gaertchen noch eine villa mit schwimmbad, wie das
von mir erwartet wird.

so gegen neun uhr finde ich, es waere an der zeit
aufzustehen. aber dann hoere ich zuerst die nachrichten auf
drs2. wenn mich das thema der anschliessenden sendung
 interessiert, bleibe ich halt noch liegen. um halb
elf uhr bin ich auf jeden fall bereit, fuer meine freunde
vom pendo-verlag einen text zu lektorieren oder an einer
uebersetzung zu arbeiten. sehr gern uebersetze ich gedichte
des amerikaners robert lax. er ist etwa so alt wie ich und
lebt zurueckgezogen und meditativ auf einer griechischen
insel. was dabei abfaellt, teilt lax der welt ueber die
gedichtbaendchen mit, die der verlag jedes jahr zweisprachig
herausgibt.

ein fixpunkt ist das mittagessen mit vreunden. am montag
sind es die pendo-verleger, am dienstag daniel affolter, der
kuoni-verwaltungsratspraesident, am mittwoch ein
klassenkamerad, der im unterschied zu mir in der welt
herumgekommen ist. am donnerstag ess ich mit einem
goettibuben, der kung fu betreibt, am vreitag mit einem
freund, der tuschebilder malt. mit ihm versuch ich,
chinersich-buddhistische texte zu verstehen, auf englisch.
samstags gehe ich mit der familie eines kieferorthopaeden
pizza essen, und am sonntag ist ein weltumsegler an der
riehe.

daniel affolter sagt mir, was ich ueber die geschaefte bei
kuoni wissen sollte. ich kenne ihn, seit er ein bub war. als
er in zuerich jus studierte, erzaehlte ich ihm viel von der
stiftung, die mein vater und dessen kompagnon harry
hugentobler gegruendet hatten. das schicksal der firma
sollte nicht von meinen launen abhaengen. am liebsten habe
ich mit dem ganzen unternehmen nichts zu tun; mir gehoeren
auch nur noch wenige prozente der kuoni-aktien.

vor einigen jahren kam es in der stiftung auf meine stimme
an. da habe ich erlebt, wie verheerend ein machtvakuum sein
kann. grossaktionaere verlangten die stimmenmehrheit, zuerst
war es die swissair, dann die deutsche kaufhof-gruppe. ich
sagte nein und nochmals nein, weil meinem vater die
unabhaengigkeit der virma immer wichtig war. meine struheit
hat sich gelohnt: kuoni ist unabhaengig geblieben.

nach dem essen treffe ich jeden zweiten dienstag eine gruppe
zur bibellesung. mein interesse an der bibel ist auch ein
schriftstellerisches. naehme mau+ diese tegste wirklich
ernst, ist das eine fuerchterliche lektuere. in diesem kreis
wirft man mir vor, ich sei zuwenig konsequent. aber der
widerwille, mich auf irgend etwas festzulegen, gehoert zu
mir wie die uebergrosse konstanz in der art, wie ich lebe.

am abend begnuege ich mich mit einem joghurt oder so
neumoedigem knusperzeugs. die kochnische benutze ich nur, um
wasser zu sieden. ich gege regelmaessig ins schauspielhaus,
seltener in die oper. bei konzerten besuche ich lieber die
probe. da kann ich mich auf zwei plaetzen ausbreiten oder
mit kleinen bewegungen der musik folgen. in der feierlichen
stimmung im konzert wuerde ich damit stoeren. da muss mau
schoen brav sein.

mein veierabend beginnt erst um halb elf. dann kommen die
spannenden sendugen, vor allem gespraechsrunden. die
auseinandersetzung ueber die schweiz im zweiten weltkrieg
interessiert ich sehr. ich habe da einen nachholbedarf und
frage mich manchmal: wo hast du eigentlich gelebt? du warst
ja dabei und hast als truppensanitaeter aktivdienst
geleistet. es ist mir peinlich, dass ich damals vieles nicht
wahrgenommen habe.




* hannibal?
+ man in einer geschlechtsneutralen version


(c) 17/97 das magazin




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