ana.words, zuschauen ist weniger anstrengend

ana.words, zuschauen ist weniger anstrengend
7. Dezember 2000 michael
In Allgemein
Von Linus Reichlin

Mein Lieblings-Pornofilm ist "Koerper in heisser Begierde".
Ich sage immer zu meinen Freunden: "Den muesst ihr euch
anschauen, das ist etwas fuer euch Intellektuelle!" "So, und
warum?", fragen sie. "Weil die Hauptdarstellerin am Anfang
des Films ein Buch liest!" Sie heisst Luzia, ist reich
verheiratet, aber sexuell frustriert, weil ihr Mann bei
einem Raubueberfall in Santa Monica einen problematischen
Schuss in den Schritt abbekam. Das erfaehrt man im Film zwar
nicht direkt, aber man kann es sich ausrechnen.

Die Story geht so: Luzia sitzt bei Filmbeginn in einem
indischen Korbstuhl auf der Veranda und liest, wie
inzwischen bekannt sein duerfte, ein Buch. Der Zuschauer
ahnt, dass das nicht ewig so weitergehen kann, und wirklich:
Sie seufzt und zieht sich aus. Das sieht Joe, ein
jugendlicher Nachbar, der im andern Haus gerade duscht. Er
ruft seinen Freund Mark an und fragt ihn, was er tun soll.
"Geh doch rueber und sag, du seist von der Polizei", raet
Mark. Also zieht Joe seine Schlangenlederhose und ein
knappes weisses T-Shirt an und klingelt bei Luzia. Die traegt
beim Oeffnen eine sehr knappe Versace-Imitation. "Guten Tag",
sagt Joe und zeigt ihr eine Hundemarke, "ich bin von der
Mordkommission und muss hier eine Hausdurchsuchung machen."
Luzia bleibt cool: "Zeigen Sie mir zuerst einmal Ihren
Durchsuchungsapparat." Mit diesen Worten greift sie ihm in
die Schlangenlederhose. Schnitt. Auf einem Wasserbett
treiben sie es in einer anspruchsvollen Stellung, die in
meinem Sexhilfe-Buch uebrigens nicht vorkommt. Schnitt.

Mit gezueckter Pistole springt Luzias Ehemann, der an den
Boersen gerade vierzig Millionen Dollar verspekuliert hat,
aufs Wasserbett. "Du betruegst mich!", schreit er Luzia an.
"Beruhigen Sie sich", sagt Joe und zieht dem Ehemann sanft
die Schuhe aus. "Was zum Teufel haben Sie vor?", ruft
dieser. "Ich werde Ihre Fuesse massieren", fluestert Joe. Das
tut er, und dann machen sie es zu dritt, denn der Ehemann
ist von seiner raubueberfallbedingten Impotenz geheilt.
Ploetzlich klingelt das Telefon. Es ist Mark, Joes Freund.
"Ich will es zu viert!", keucht Luzia, deren Koerper in
heisser Begierde praktisch permanent pulsiert ^ bis endlich
Mark dazukommt und das Wasserbett zum Ueberlaufen bringt.
"Ist das alles?", fragen meine intellektuellen Freunde. "Ist
doch saugeil!", sage ich. "Was fuer ein Buch hat diese Luzia
ueberhaupt gelesen?", fragen die Freunde. "Das war", sage
ich, um meine Freunde mit dem Film zu versoehnen, "etwas von
Handke, die Tagebuecher." "Gibt,s gar nicht von Handke!",
rufen die verbildeten Kerle. "Dann war es eben die
Gebrauchsanleitung fuers Wasserbett!", sage ich, denn das
kommt der Wahrheit am naechsten. Es ist logisch: Luzia weiss
jetzt, dass das Wasserbett maximal drei Erwachsene traegt,
sie, Joe und ihren Mann, der um 16.00 Uhr nach Hause kommen
wird. Folglich seufzt sie und zieht sich um 14.30 Uhr aus,
wohl wissend, dass Joe, der duscht, scharf wird und gleich
klingelt. Es klappt alles hervorragend, bis Mark anruft und
durch sein zusaetzliches Gewicht dasWasserbett ruiniert. "Das
ist noch wahre Dramaturgie!", rufe ich jeweils meinen
Freunden zu.

weltwoche, 16.11.2000
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