weiter gehz mit tassen! (...) danach machte sie mit dem abspuelen weiter und erklaerte, einen teil der am finnland-tag praesentierten haushaltsgegenstaende in gebrauch nehmen zu wollen. deshalb hatten wir die geschirrkartons durch die stadt transportiert. die tasse war stabil, ausserdem gross genug fuer eine ausreichende menge fluessigkeit, kaffee, tee oder was immer man auch trank. der henkel der tasse war ebenfalls gross genug. dort passte sogar der zeigefinger eines robusteren mannes durch. der winkel von tassenboden und -wand stimmte, sodass man leicht aus der tasse trinken konnte und die fluessigkeit nicht aufs hemd spritzte. die dicke materialstaerke fuehlte sich an den lippen gut an, die massive struktur wuerde eine brennend heisse fluessigkeit rasch abkuehlen, andererseits aber deren waerme lang halten. da hatte sich jemand gedanken gemacht, bevor er diese tasse entwarf. die snell erklaerte, bei dem geschirr handle es sich um die serie "teema" von kaj franck. beruehmtes finnisches design aus den 50er jahren. sie geriet in begeisterung und brachte weitere teile der serie zum vorschein, schuesseln und schalen, die man ineinander stapeln konnte. sie trugen stempel und symbole der porzellanfabrik arabia, welche sie auch als ofenfest auswiesen. das geschirr war so geplant, dass man es nicht nur zum verzehren des essens, sondern auch fuer dessen zubereitung verwenden konnte. natuerlich konnte man darin auch speisen aufbewahren. diese ganze integrative kette zeugte von einem erstaunlich weit entwickelten gestaltungsprinzip, falls es stimmte, dass das geschirr aus den 50er jahren stammte. denn container und kassetten, die lueckenlos der herstellung, dem transport und der lagerung dienten, fanden in der industrie erst zwei jahrzehnte spaeter verbreitung. der konsul hielt die tassen fuer langweilig und einfoermig. der dozent fragte, ob die gelbe farbe ihnen nicht einen heiteren ausdruck verleihe. der konsul fand die farbe zu grell. er fing an, das italienische geschirr zu loben, das auch in seiner alltagsvariante stets erlesen sei und dem auge aesthetischen genuss biete. ich hatte schlechte erfahrungen mit italienischem geschirr gemacht. die kaffeetassen waren so klein, dass man die lippen am tassenrand formen musste, als wolle man trompete oder ein anderes blasinstrument spielen, das einen genauen ansatz am mundstueck verlangte. auch beim entwurf einer kaffeetasse sollte man von der funktion ausgehen, und die war nun mal trinken und nicht dekoration. ich hatte die nase so voll von italienischen boegen, schnoerkeln und goldraendern, dass es wohl tat, die klaren linien des finnischen geschirrs zu betrachten, das nur die form besass, die der gebrauch verlangte. der tasse sah man sofort an, wofuer sie existierte, und man sah auch, dass sie ihre aufgabe auf die bestmoegliche weise erfuellte. der dozent hate zugehoert, als ich ueber tassen und besteck predigte, ueber die zierlichen italienischen messer, deren schneiden staendig abrutschten. ganz anders die guten finischen gabeln und messer. bei denen wurde nicht unnoetig an rostfreiem instrumentenstahl gespart. heikkilä hatte angefangen, ueber meine worte zu lachen. nicht von ungefaehr begeisterte ich mich fuer francks funktionalistische kaffeetassen, ich sei eben ein typischer finnnischer modernist der 50er jahre, fand der dozent. ich erinnerte ihn daran, dass ich damals noch gar nicht geboren war. heikkilä erzaehlte, dass finnland nach ansicht fuehrender modernisten damals fuer kurze zeit an der spitze des stilgefuehls stand. in spaeteren jahrzehnten huellte sich finnland in die gleiche rueschenwolke einer amerikanischen hausfrau wie die restliche welt auch, die finnische kunst und literatur der 50er jahre aber hatte alle rueschen abgerissen. heikkilä meinte, falls er sich recht erinnere, habe kaj franck vorgeschlagen, alles alte geschirr von arabia zu zertruemmern. von der literatur und der kunst wusste ich nichts, aber francks tassen waren im gebrauch jedenfalls etwas ganz anderes als die verschnoerkelten, mit gold verzierten italienischen sachen. aus: canal grande von: hannu raittila morgen keine tassen mehr. sondern bruenneli. -- = -- -- = -- -- = -- a n a . w o r d s aus dem hellblauen salon furcht und schrecken seit 1997 mailto:words@ana.ch http://ana.ch/words/ ana.txt seite 444 vragen & kommentare & texte, die ihr davon findet, sie seien es wert, dass es die ganze welt erfaehrt, oder mindestens die redaktion, dann mailto:words@ana.ch du willst auch? immer mehr? dann abonnier auch du ana.words: http://ana.ch/txt/444 hast du genug? immer weniger? dann bestell doch nicht ana.words ab: http://ana.ch/txt/444