ana.words, gott als mitesser

als renate das tischgebet einfuehrte zum beispiel. ich weiss nicht, ob sie das aus religioesen gruenden tat oder ob das von ihrem durch ein fernstudium der geschichtswissenschaft angeregten gelebten antifaschismus herruehrte. auf jeden fall begannen wir irgendwann damit, uns vor jeder mahlzeit an den haenden zu halten und zu beten. hochdeutsch und vor allem eingedenk der deutschen historie: bonhoeffer. vonguten maechten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag, gott ist mit uns am abend und am morgen... ich habe gott fuer einen mitesser gehalten. und angesichts dessen, was er mit uns essen musste, tat er mir leid. wie sollte man an jemanden glauben, wie sollte man sich von jemandem lenken und leiten lassen, fuer den man mitleid empfand? was ich brauchte, war ein maechtiger mann, ein furcht einfloessender got. und auch den bekam ich. ich meine damit jetzt nicht den kindergottesdienst und die adoleszenten bibelkreise, die einem das fuerchten in reinkultur nahe brachten - nein, jeden tag, wenn ich ins bett gebracht wurde (ich musste frueh zu bett, so gegen mitternacht), nahm mich der eberhard auf den arm, schaukelte mich durch die gegend und schmetterte immer das gleiche, durchaus christliche schlaflied: "guten abend, gute nacht." da war an schlaf nicht zu denken.
"morgen frueh, wenn gott will, wirst du wieder geweckt.MORGEN FRUEH, WENN GOTT WILL, WIRST DU WIEDER GEWECKT."
und er schleuderte mich liebevoll in mein von tamilischen asylbewerberhaenden glatt gehobeltes zedernholz-oekobett. ich aber dachte: was ist, wenn gott nicht will? ich tat naechtelang kein auge zu. er koennte es ja mal vergessen. viel zu tun da oben. und dann. 30 jahre spaeter, wuerde sich der herr im himmel vor den kopf schlagen und ausrufen:
"fuck! den haette ich wecken sollen! gott, wie peinlich!"

jess jochimsen schreibt in
 "das dosenmilch-trauma" (isbn 3-423-20370-6) ueber seine kindheit mit bayrischen hippie-eltern...
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a n a . w o r d s
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