ana.words, geld verschenken

ana.words, geld verschenken
16. September 2013 tbz
In Allgemein
liebe netzwelt, liebe ana.lesers

tbz beschaftigt da grad was 
und da muesst ihr nun durch 
(also naja, wegklicken und loeschen geht ja immer)

tbz schleicht ja so bisschen in sozialen netzwerken rum und im stream
(so heisst das glaub bei google und bei facebook chronik oder hauptseite
oder so, ist ja auch komplett egal) schlich sich dann ende letzter woche
ein link immer und immer und immer wieder ein.

und die leute heulen und kriegen kloesse im hals und sind bewegt und so
weiter und so weiter und teilen das weiter. und tbz will ueberhaupt nix
gegens bewegt sein und heulen einwenden, tbz heult bei jedem noch so
vorhersehbaren kitschigen ende einer ueblichen hollywood-komoedie, bei
serien, vor erleichterung, erschoepfung, bei ganz schoenen dingen (fast
schon stendhal-syndrom) und es gibt nix gegen gefuehle und bewegt sein
oder geruehrt sein zu sagen. punkt.

doch: was ist eigentlich los, dass das die massen so ruehrt?

also nun um vielleicht kurz zu sagen, worum's geht: 
eine frau geht zur bank. die alte vor ihr hat am 11. des monats noch
14.58 aufm konto...
sie kriegt das mit, und schafft es dann, der alten frau geld (20 euro)
auf deren konto zu ueberweisen. mithilfe eines bankangestellten, der ihr
dabei hilft, sich auch nicht wohl fuehlend, der frau grad bloss zwei
5-euro-noten ausgezahlt haben zu koennen. 
die frau twittert es und kriegt bloede reaktionen von wegen
bankgeheimnis, und 20 euro braechten ja auch nix und warum sie das
oeffentlich mache etcetera. 
und schreibt darauf den besagten artikel. zum schluss schreibt sie "Ich
will kein Lob, keine Beweihräucherung, keinen Applaus. Ich möchte
einfach nur erzählen. Von einer Begegnung, die mir sehr nah ging und
mich nachhaltig verfolgt. Die mir keine Ruhe lässt. Tun Sie damit, was
Sie wollen."

(hier als kleiner nebenhinweis und querverweis das
(internet)paradox: "ich bin kein held" -> der wird zum held)

so.

und jetzt: mir ist es wurst, wenn irgendwelche trolle sagen, man wisse
ja nicht mal, ob das wahr sei und mit diesem artikel wolle sie ja wieder
bloss applaus. und haters gonna hate und menschenverachtende
dauerzynikers werden meines erachtens von der evolution eh irgendwann
abgeschafft.

und dass aber nicht alles in 140 zeichen platz hat ist auch klar.

was ist aber los, dass so eine meldung dermassen zu traenen ruehrt,
geteilt und geteilt und geteilt wird, als sei es etwas dermassen
spezielles, uebermenschliches, dass da geschah, wenn eines jemand
unbekanntem 20 euro schenkt, wenn eines dies beschaeftigt? wenn eines
jemandem begegnet, das woanders ist im leben als es selbst?


ist tbz dermassen ein alien, dass sie fragt: 
ist das denn nicht normal?
habt ihr denn noch nie jemandem geld geschenkt? 
oder ein broetchen? 
von mir aus auch ein beruhigungsmittel oder sonstwas, das die person
dringend brauchte?

IST DAS DENN NICHT NORMAL? 
I S T   D A S   D E N N   N I C H T   N O R M A L ?

(schande, dass es noetig ist)


(und dann bitz boeser: habt ihr euch vorher schon gedanken ueber armut
oder altersarmut oder sonstwas gemacht? braucht es eine solche
"menschliche story" um irgendwie zu merken, dass nicht alles so golden
ist mitm system oder wasauchimmer?)

so, und nun wird auf die kacke gehauen: wenn diese nachricht jemanden
auf gute gedanken gebracht hat, fein. wer einmal kurz gefaellt
mir/plus1/ruehrende geschichte/usw. sagen wollte und dann weiterklickt:
fickt euch.

tbz kriegte vor jahren zum geburtstag globus- und manorgutscheine
geschenkt. um sich was schoenes zu leisten, sich was zu goennen. und
dann ging tbz im globus mit ebendiesem gutschein irgendwann in die
delicatessa-abteilung und kaufte sich brot und eier und milch und um
sich was zu goennen kaese. und online kucken, wo der manor eine
lebensmittelabteilung hat: in baden, okay, eine viertelstunde zugfahrt
von zuerich, da hat die kette noch ne lebensmittelabteilung. das ga habe
ich, die fahrt ist kein problem, ich goenne mir was: essen. ich meine,
fortwaehrend beim einkaufen betraege zusammenrechnen, was wieder
zuruecklegen fuer was wichtigeres, kennt ihr das nicht? aha.
wahrscheinlich irgendwie selbst schuld, noch rauchen geht natuerlich gar
nicht. noch saufen grad gar nicht, sei es auch billig.

tbz sitzt oft einfach zu hause rum und saugt irgendwelche sachen auf im
internet oder liest oder sonstwas und ist keine streetworkerin und immer
"um die leute rum" oder irgendsowas. und es geht mir grad gut und
ueberhaupt. aber kann doch nicht sein, dass nur mir dann so geschichten
passieren, dass mich eine medisuechtige "aufm aff" anhaut wegen "stutz".
ach quatsch, passiert wohl vielen, ist es zu wenig beruehrend, viel
weniger als die alte frau mitm rollator? ich weiss nicht, mache ich was
falsch, wenn ich dann der 40 franken gebe, die ich soeben mit ner
bloeden nebenarbeit verdient habe? wahrscheinlich mache ich das falsch,
denn die findet mich dann dermassen unglaublich nett, setzt sich im bus
total verpeilt neben mich (oh, das koennte einem peinlich sein!), zahlt
es mir ganz sicher zurueck (quatsch, maedchen, ich weiss, dass du das
nicht tust) und will mich dann mal zu nem kafi einladen, wenn sie das
geld hat (siehe oben). und sie erzaehlt mir von ihren stricherfahrungen,
dass mir dabei gottverdammtnochmal schlecht wird. und ich weiss doch
ganz genau, dass es nix bringt, wenn ich sage, sie solle einen entzug
versuchen, sie erzaehlt dann sofort von einem, der sich bei einem
benzoentzug selbst ein messer ins herz gerammt hat, weil es dermassen
unaushaltbar war. benzoentzug kannst doch vergessen. ich weiss es doch,
und es aendert doch grundsaetzlich nix am problem, und vielleicht ist
sie nun tot, aber gopf, es ist doch normal, oder nicht? zumindest ein
paar momente nicht der naechste drogenstrichfick, bei dem sie nachher
tagelang blutet.

warum bin ich dann "zu nett"?

und das ist vielleicht ein doofes beispiel. aber ich frage doch auch bei
der kassiererin nicht nach, die mir vorjammert, sie habe nix mehr, bis
der lohn komme, waehrend sie meine luxusartikel tippt (mango und ananas
betty bossi co2-kompensiert), ob sie denn ihr geld auch angemessen fuer
vernuenftiges ausgegeben habe. sondern gebe mal, wenn sie halt nun grad
hunger hat. 

und dann kommt dieser neoliberale erhobene zeigefinger dauernd, wie es
jemand halt machen muesste und was man doch nicht noch unterstuetzen
sollte und wasweissich. 
und erzaehlt mir doch nix von ausgenuetzt werden, wenn jemand ein
arschloch ist, merke ich das schon noch. 
und wenn nicht ist aber fuer einmal auch egal, es geht ja nicht drum,
dass ich monatlich einer dubiosen institution gutglaeubig 500 franken
ueberweise, die ich nicht habe. 
(warum faellt mir da grad was aus der schulzeit ein, als
eine sich mir anvertraute, in ihrem nebenjob im mcdoof haben sich
sexuelle uebergriffe ereignet, ein klassenlehrer sagte mir in nem
privaten gespraech, ich solle nicht immer alles glauben, was man mir
erzaehle, ich sagte darauf "ich glaube da lieber einmal zu viel als einmal
zu wenig.")

im tagblatt der stadt zuerich stellen sie jede woche einem_r politiker_in
ausm gemeinderat der stadt zuerich ein paar fragen, eine davon jeweils:
"geben sie einem bettler geld?". kann man wahrscheinlich die antworten
online nachlesen, das tagblatt hat seit kurzem einen ganz neuen
webauftritt ;-)

und es geht mir nicht darum, da eine allgemeingueltige regel
aufzustellen, es geht nicht um einen moralischen imperativ, und ich bin
weit weg von heilig und allem. und es geht auch nicht um
gewerbemaessiges betteln, vielleicht geht es auch laengst nicht mehr um
die alte frau mitm rollator, die jeweils grad 500 euro abhebt, wie das
alte leute zu tun pflegen, und dann beklaut wurde von einem boesen
albaner oder junkie (was das nun alles gerade sollte: keine ahnung) oder
um strukturelle probleme, probleme des systems mit armut oder alten oder
"randstaendigen" oder kombination von allem. ich weiss es nicht. es geht
vielleicht bloss irgendwie um eines:

es ist doch nicht so aussergewoehnlich, jemandem zu geben, der braucht?

oder doch? warum ueberflutet mich grad ploetzlich dankbarkeit? falls das
alles so normal sein sollte, waere ich dann nicht dankbar fuer all das,
was ich in not bekam, oder dennoch? 
und ich danke also an dieser stelle mal allgemein.
(ihr wisst schon, familie, freund_innen, regisseur_in fuer "diese
unglaubliche chance" und was dankesreden halt so beinhalten)
persoenliche danksagungen bleiben in diesem oeffentlichen text nun
augespart und koennen im privaten rahmen eingesehen werden.
ich bin nach wie vor beeindruckt.

merci fuer die aufmerksamkeit.

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