ana.words, figuratives arschloch

ana.words, figuratives arschloch
26. Januar 2000 michael
In Allgemein
Folge zwei: Das Arschloch


Wer den Menschen beim Reden zuhoert, wird schon bald
bemerken, dass jeder einzelne von ihnen einige Arschloecher
kennt. Nun beruht das Arschlochsein ja zumeist auf einer
Wechselwirkung, so dass auf ein Arschloch gleich zwei
kommen: Erstens das Arschloch selbst, weil es eines ist,
zweitens der, der das Arschloch ein Arschloch findet, und
zwar deshalb, weil das Arschloch ja wohl kaum auf sich
beruhen lassen wird, als Arschloch betrachtet zu werden und
die Betitelung fuer das Arschloch bereits Grund genug ist,
auch den Betrachter als Arschloch zu bezeichnen. Wer also
jemanden als Arschloch betitelt, ist selber auch gleich
eines. Zumindest in den Augen des Arschlochs. Wenn Sie also
jemanden mal so richtig schoen beleidigen moechten, dann
sagen Sie ihm doch einfach, er sei ein Arschloch. Das sitzt
immer, hat aber seinen Preis: Man ist selber auch ein
Arschloch. Warum werden wir gleich sehen.

Ein schoenes Wort uebrigens: Arschloch ist dort, wo die
Kacke herauskommt. Und wo man manchmal, wenn die Sonne
scheint, auch reinfickt. Kein sehr erhabener Ort also. Wir
alle kennen ein Arschloch. Mindestens. Ich selber kenne ja
schon etwa 20. Ich rede jetzt uebrigens nicht mehr vom
After, liebe Leserschaft, sondern wieder vom figurativen
Begriff Arschloch, von dem wir, wie gesagt, alle mindestens
eines kennen. Das heisst dann folglich, dass wir alle auch
Arschloecher sind. Eben deshalb, weil wir fuer die Menschen,
die in unseren Augen ein Arschloch sind, auch ein Arschloch
sind. Wir sollen also alle Arschloecher sein. Das ist ein
schrecklicher Gedanke. Folgende Fallbeispiele werden meine
gewagte These jedoch erst sanft bekraeftigen, spaeter dann
stuermisch fundieren.

1. A findet B ein Arschloch, warum auch immer, vielleicht
mit Fug und Recht. So geht nun A zu C und berichtet ihm, B
sei ein Arschloch. Nun weiss B aber gar nicht, dass er, in
den Augen von A, ein Arschloch ist, folglich hat er keinen
Grund, A als Arschloch zu betiteln. A ist nun aber deshalb
auch ein Arschloch, weil er B bei C als Arschloch
bezeichnet, anstatt dies B direkt ins Gesicht zu sagen,
finden Sie nicht auch?

2. Es kann auch sein, dass der, der als Arschloch bezeichnet
wird, gar kein Arschloch ist, sondern ein ganz ein lieber,
umsichtiger, ruecksichtsvoller Mensch, der niemandem was
zuleide tut. Leider kommt nun einer daher, die beiden
fuehren ein Gespraech, und siehe da, welch Zufall, die
beiden haben verschiedene Meinungen. Da trennen sie sich
dann in Unverstaendnis und der andere geht von dannen und
denkt sich "was fuer ein Riesenarschloch". Ja, das kann so
passieren! Da wird einer fuer ein Arschloch gehalten, ohne
etwas dafuer getan zu haben. Ja ist denn noch Gerechtigkeit
in dieser Welt? Es ist: Allein aus der Tatsache heraus, dass
derjenige, der unsere unschuldige Beispielsperson fuer ein
Arschloch haelt, dies nur tut, weil diese seine Meinung
nicht geteilt hat, ist er gleich selber ein Arschloch, und
zwar ein intolerantes.

3. Adolf Hitler, das groesste Arschloch des 20.
Jahrhunderts. Den darf man nun wirklich ein Arschloch
finden, ohne selber eins zu sein. Ha! Reingefallen! Wer
Adolf Hitler ein Arschloch findet, ist selber auch eines.
Und zwar fuer jene, die Adolf Hitler ueberhaupt nicht fuer
ein Arschloch halten, sondern fuer einen ganz duften Kerl.
Ja, solche Menschen gibt es tatsaechlich.

4. Und was ist mit den Neugeborenen, den unschuldigen,
schutzbeduerftigen, schnuckeligen Wesen, denen die Begriffe
Schuld, Verbrechen, Busse, Arsch und Loch von keinerlei
Bedeutung sind? Auch sie, man glaubt es kaum, sind kleine
Arschloecher. Suesse zwar, Arschloecher dennoch. Oder wie
wuerden Sie jemanden nennen, der Ihnen ins Gesicht kotzt,
sie jede Nacht dreimal weckt und Ihre Haende mit Kot
befleckt? Mein Vorschlag: Arschloch.

Ein Planet voller Arschloecher also? Das darf nicht sein.
Eines steht jedoch fest: Ich bin von Zeit zu Zeit, eher
selten zwar, doch dann umso intensiver, ein maechtiges
Arschloch. Und relativ haeufig ein kleines. Nicht immer
dasselbe, denn es gibt beim Arschlochsein Nuancen. Es gibt
kleine Arschloecher, es gibt suesse, grosse, verdammte,
riesige, verlogene, intolerante Arschloecher, jawohl, jedes
Adjektiv laesst sich auf das Arschloch anwenden. Ausser
tiefgekuehlt, gasfoermig und glaesern natuerlich.

Und nun Sie, lieber Leser, sind Sie ein Arschloch? Nein?
Aber Sie kennen doch sicher eines, so ein richtiges,
verdammtes, daemliches Arschloch. Genau, der Typ, da, der
geschleckte, den Ihre Exfreundin in Ihrer Lieblingsbar
neulich so nett angelaechelt hat (dieser elende Hurensohn),
der ist doch ein Arschloch, nicht wahr? Nun, dann sind
leider auch Sie ein Arschloch. In diesem Fall deshalb, weil
es Sie einen Scheissdreck angeht, wen Ihre Exfreundin bumst,
und weil es nicht angeht, jemanden ein Arschloch zu finden,
nur weil er geschleckt aussieht und obendrein noch Ihre
Exfreundin bumst. Hierzu ist noch zu sagen, dass aus
genannten Gruenden auch ich Arschloecher kenne, aber ich
darf das, denn ich bin ja auch eines, auch aus genannten
Gruenden und so weiter und so fort. Zudem koennen Sie sich
benehmen, wie Sie wollen, es gibt immer jemanden, der
findet, Sie seien ein ganz gehoeriges Arschloch. Das ist
leider so.

Es gibt ja diesen Spruch von wegen was einen bei anderen
nervt, mag man bei sich selbst nicht leiden. Das trifft
natuerlich auf Massenmoerder nicht zu, aber schon eher, wenn
man jemanden der Realitaetsferne bezichtigt und zuvor
behauptet, Uriella habe dann schon noch eine grosse
Heilkraft im Fall. Der Planet ist also von Arschloechern
bevoelkert und folglich verdammt. Denn wo bitteschoen soll
etwas gedeihen, zu Bluete kommen, Fruechte tragen, wenn
darauf staendig Arschloecher herumtrampeln? Es ist zum
Heulen. Das Gute im Menschen ist offenbar auf die kurzen
Abstaende zwischen den Momenten reduziert, in denen man
jemanden ein Arschloch findet, auf die Arschlochiade
sozusagen. Oder auf den Arschlochbusen? Der Busen
praesentiert sich ja bekanntlich nicht als zwei Brueste,
sondern als der Raum dazwischen.

Das Wort Arschloch kommt in diesem Text uebrigens exakt 61
Mal vor.

Ende.

by hans.schmerz
http://www.hansschmerz.ch/


-- = --    -- = --    -- = --     

a n a . w o r d s
aus dem hellblauen salon

words@ana.ch
http://ana.ch/words/
ana.txt seite 444

reicht ana.words weiter!

vragen & kommentare & texte, die
ihr davon findet, sie seien es wert, 
dass es die ganze welt erfaehrt, oder 
mindestens die redaktion, dann 


du willst auch? immer mehr?
dann abonnier auch du ana.words:
<http://ana.ch/txt/444> oder
 mit subject:subscribe

hast du genug? immer weniger?
dann bestell doch nicht ana.words ab:
<http://ana.ch/txt/444>