ana.words, eine hammergeschichte!

ana.words, eine hammergeschichte!
24. April 2024 tbz
In sex, drugs and techno
vorgestern hat tbz ihrer neuen nachbarin einen hammer ausgeliehen.
die wollte ihn dann nen tag spaeter
(also gestern)
tbz vor die tuer legen
bevor sie zum zahni geht.

und dann ging sie aus dem haus
und tbz hatte keinen hammer vor der tuer.
und spaeter war die nachbarin wieder daheim.
und tbz kriegte keinen hammer retour.

und tbz dachte:
ui, will sie den hammer etwa behalten?
hat sie das nun vergessen
oder ist das irgendwie absicht?
ist die irgendwie vielleicht psycho?
und sollte man
so einer kaum bekannten
nachbarin eigentlich
einen hammer ausleihen?
also weisst ja nicht,
am schluss schlaegt sie dir damit die tuer ein!
oder klingelt und haut dir die birne weg.
vielleicht sollte tbz einfach
bei ihr klingeln gehen
und sie anschreien und fragen
ob sie eigentlich noch ganz dicht sei
den hammer behalten zu wollen 
und damit schaden anzurichten
und ob sie sich eigentlich nicht an abmachungen halten koenne
und so ne nachbarin wuensche sich wirklich niemand!


mit anderen worten:
tbz hat sich ne variante 
der beruehmten geschichte vom hammer 
aus "anleitung zum ungluecklichsein" ausgedacht
und dabei bisschen gelacht.

(und das oben war bisschen geflunkert
oder sagen wir: so ne art erfunden
und tbz hatte den hammer abends vor der tuer)


also:
wer nur die geschichte mit dem hammer lesen will:
https://ana.ch/ana-words-leben-vergiften/


etwas mehr content. kontext. wasauchimmer.
mit uebungen! fuer mehr unglueck:
nun weiterlesen.



die geschichte mit dem hammer 

  ein mann will ein bild aufhängen. den nagel hat er, nicht aber den
hammer. der nachbar hat einen. also beschliesst unser mann,
hinüberzugehen und ihn auszuborgen. doch da kommt ihm ein zweifel: was,
wenn der nachbar mir den hammer nicht leihen will? gestern schon grüsste
er mich nur so flüchtig. vielleicht war er in eile. aber vielleicht war
die eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich. und was? ich
habe ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. wenn jemand von
mir ein werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. und warum er
nicht? wie kann man einem mitmenschen einen so einfachen gefallen
abschlagen? leute wie dieser kerl vergiften einem das leben. und dann
bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. bloss weil er einen
hammer hat. jetzt reicht’s mir wirklich. – und so stürmt er hinüber,
läutet, der nachbar öffnet, doch noch bevor er »guten tag« sagen kann,
schreit ihn unser mann an: »behalten sie sich ihren hammer, sie rüpel!«

die wirkung ist grossartig, die technik verhältnismässig einfach, wenn
auch keineswegs neu. schon ovid beschrieb sie in seiner liebeskunst
– wenn auch leider nur im positiven sinne: »rede dir ein, du liebst, wo
du flüchtig begehrest. glaub es dann selbst … aufrichtig liebt, wem’s
gelang, sich selbst in feuer zu sprechen.«

wer dem ovidschen rezept folgen kann, sollte keine schwierigkeit haben,
diesen mechanismus im sinne unseres leitfadens anzuwenden. wenige
massnahmen eignen sich besser zur erzeugung von unglücklichkeit als die
konfrontierung des ahnungslosen partners mit dem letzten glied einer
langen, komplizierten kette von phantasien, in denen er eine
entscheidende, negative rolle spielt. seine verwirrung, bestürzung, sein
angebliches nichtverstehen, seine ungehaltenheit, sein
sich-herausreden-wollen aus seiner schuld sind für sie die endgültigen
beweise, dass sie natürlich recht haben, dass sie ihre gunst einem
unwürdigen schenkten und dass ihre güte eben wieder einmal missbraucht
wurde.

auch der virtuosesten anwendung jeder technik sind natürlich grenzen
gesetzt, und die moral von der geschichte mit dem hammer ist keine
ausnahme. der soziologe howard higman von der colorado-universität
spricht in diesem zusammenhang von der »unspezifischen besonderheit«
(non-specific particular) und deren rückanwendung auf den partner. laut
ihm neigen ehefrauen zum beispiel dazu, aus einem nebenzimmer »was ist
das?« zu rufen. sie erwarten, dass der mann aufsteht und hinübergeht, um
herauszufinden, was sie meint, und in dieser erwartung werden sie selten
enttäuscht. einem ihm befreundeten ehemann gelang es aber, dieser
archetypischen situation einen neuen dreh zu verleihen, indem er den
spiess umkehrte. er sass in seinem studierzimmer, als seine frau quer
durch das haus rief: »ist es angekommen?« obwohl der mann keine ahnung
hatte, was »es« war, antwortete er: »ja.« darauf wollte sie wissen: »und
wo hast du es hingetan?«, und er rief zurück: »zu den andern.« zum
erstenmal in seiner ehe konnte er darauf stundenlang ungestört arbeiten.

doch zurück zu ovid beziehungsweise seinen nachfolgern. hier kommt einem
vor allem der berühmte französische apotheker émile coué (1857–1926) in
den sinn. er ist der gründer einer schule der (leider eben wieder ins
positive verkehrten) selbstbeeinflussung, die darin besteht, dass man
sich einredet, es gehe einem besser und immer besser. mit etwas talent
lässt sich coué aber umdrehen, und seine technik kann dann in den dienst
der unglücklichkeit gestellt werden.

und damit können wir uns endlich der praxis des bisher erklärten
zuwenden. wir haben begriffen, dass die für unsere zwecke unerlässliche
herbeiführung jenes zustands, in dem die rechte hand nicht weiss, was
die linke tut, erlernt werden kann. hierzu bietet sich eine reihe von
übungen an:

übung nr. 1: setzen sie sich in einen bequemen sessel, möglichst mit
armstützen, schliessen sie die augen, und stellen sie sich vor, in eine
reife, saftige zitrone zu beissen. mit etwas übung wird ihnen die
imaginäre zitrone bald das wirkliche wasser im munde zusammenlaufen
lassen.

übung nr. 2: bleiben sie im sessel sitzen, weiterhin mit geschlossenen
augen, und verschieben sie ihre aufmerksamkeit von der zitrone auf ihre
schuhe. es dürfte nicht lange dauern, und sie werden bemerken, wie
unbequem es eigentlich ist, schuhe zu tragen. gleichgültig, wie gut sie
bisher zu passen schienen, sie werden nun druckpunkte bemerken und sich
plötzlich auch anderer unannehmlichkeiten bewusst werden, wie brennen,
reiben, krümmen der zehen, hitze oder kälte und dergleichen. üben sie,
bis das bisher selbstverständliche und bedeutungslose tragen von schuhen
ausgesprochen unangenehm wird. kaufen sie sich dann neue schuhe, und
bemerken sie, wie sie im laden einwandfrei zu passen schienen, nach
kurzem tragen aber dieselben beschwerden erzeugen wie die alten.

übung nr. 3: im sessel sitzend, blicken sie bitte durchs fenster in den
himmel. mit etwas geschick werden sie in ihrem blickfeld bald zahlreiche
winzige, bläschenartige kreise wahrnehmen, die bei stillhalten der augen
langsam nach unten sinken, beim zwinkern aber wieder hinaufschnellen.
bemerken sie ferner, dass diese kreise immer zahlreicher und grösser zu
werden scheinen, je mehr sie sich auf sie konzentrieren. erwägen sie die
möglichkeit, dass es sich um eine gefährliche erkrankung handelt, denn
wenn die kreise einmal ihr ganzes gesichtsfeld ausfüllen, werden sie
äusserst sehbehindert sein. gehen sie zum augenarzt. er wird ihnen zu
erklären versuchen, dass es sich um die ganz harmlosen mouches volantes
handelt. nehmen sie dann entweder an, dass er masern hatte, als diese
krankheit in der universitäts-augenklinik den medizinstudenten seines
jahrgangs erklärt wurde, oder dass er sie aus reiner nächstenliebe nicht
vom unheilbaren verlauf ihrer krankheit informieren will.

übung nr. 4: sollte die sache mit den mouches volantes nicht recht
klappen, so brauchen sie die flinte noch lange nicht ins korn zu werfen.
unsere ohren bieten eine gleichwertige ausweichlösung. gehen sie in
einen möglichst stillen raum, und stellen sie fest, dass sie plötzlich
ein summen, surren, leichtes pfeifen oder einen ähnlichen
gleichbleibenden ton in ihren ohren feststellen können. unter normalen
alltagsbedingungen ist der ton zwar durch die umweltgeräusche überdeckt;
mit entsprechender hingabe dürften sie es aber fertigbringen, den ton
immer häufiger und lauter wahrzunehmen. gehen sie schliesslich zum arzt.
von hier ab gilt übung nr. 3, mit der ausnahme, dass der arzt die sache
als normalen tinnitus verharmlosen wollen wird.

 (besondere anweisung für medizinstudenten: übungen 3 und 4 entfallen
 für sie. sie sind ohnedies genügend damit beschäftigt, in sich die
 fünftausend symptome zu entdecken, auf denen sich die diagnostik der
 inneren medizin allein aufbaut – von den anderen ärztlichen
 spezialgebieten ganz zu schweigen.)

übung nr. 5: sie sind nun hinlänglich ausgebildet und offensichtlich
auch talentiert, um ihre fähigkeiten vom eigenen körper auf die umwelt
zu übertragen. beginnen wir mit den verkehrsampeln. sie dürften bereits
bemerkt haben, dass sie die neigung haben, so lange grün zu sein, bis
sie daherkommen, und dann genau zu jenem zeitpunkt von gelb auf rot zu
wechseln, an dem sie es nicht mehr riskieren können, doch noch über die
kreuzung zu fahren. widerstehen sie den einflüsterungen ihrer vernunft,
wonach sie mindestens ebensooft auf grüne wie auf rote ampeln stossen,
und der erfolg ist verbürgt. ohne zu wissen, wie sie es eigentlich
fertigbringen, werden sie jede rote ampel zum bereits erlittenen
ungemach addieren, jede grüne dagegen ignorieren. sehr bald werden sie
sich des eindrucks nicht erwehren können, dass hier höhere, ihnen
feindlich gesinnte mächte ihr unwesen treiben, deren einfluss sich
ausserdem keineswegs auf ihren wohnort beschränkt, sondern ihnen mühelos
nach oslo oder los angeles folgt. – sollten sie nicht auto fahren, so
können sie ersatzweise entdecken, dass die schlange, in der sie vor dem
post- oder bankschalter stehen, immer die langsamste ist oder dass ihr
flugzeug immer an dem von der schalterhalle am weitesten entfernten
ausgang wartet.

übung nr. 6: sie wissen nun um das walten dunkler mächte. dieses wissen
ermöglicht ihnen nun weitere wichtige entdeckungen, denn ihr blick ist
nun geschärft für erstaunliche zusammenhänge, die der dumpfen,
ungeschulten alltagsintelligenz entgehen. untersuchen sie ihre haustüre
sorgfältig, bis sie einen kratzer finden, den sie bisher noch nie
gesehen haben. fragen sie sich nach seiner bedeutung: ist es ein
gaunerzinken, das resultat eines versuchten einbruchs, eine absichtliche
beschädigung ihres eigentums, ein besonderes zeichen, um sie irgendwie
zu identifizieren? widerstehen sie auch hier der versuchung, die sache
zu bagatellisieren; begehen sie aber andererseits auch nicht den fehler,
ihr praktisch auf den grund zu gehen. behandeln sie das problem rein
gedanklich, denn jede wirklichkeitsprüfung ihrer annahme wäre dem erfolg
dieser übung nur abträglich.

wenn sie durch diese übung ihren eigenen stil entwickelt und ihren blick
für ungewöhnliche, mysteriöse zusammenhänge geschärft haben, werden sie
bald bemerken, bis zu welchem grade unser alltag von solchen
schicksalsträchtigen verflechtungen durchzogen ist. nehmen wir an, sie
warten auf den autobus, der schon längst da sein sollte. sie vertreiben
sich die zeit, indem sie die zeitung lesen, aber immer wieder den blick
die strasse hinunterwerfen. plötzlich sagt ihnen ihr sechster sinn:
»jetzt kommt er!« sie drehen sich rasch hin, und tatsächlich, in der
ferne, noch mehrere häuserblocks entfernt, ist der autobus aufgetaucht.
erstaunlich, nicht wahr? und doch ist das nur ein kleines beispiel aus
der vielfalt der hellsichtigkeiten, die sich langsam in ihnen ausbilden
und dort am wichtigsten sind, wo sich alles mögliche für sie nachteilige
abzeichnet.

übung nr. 7: sobald sie hinlänglich überzeugt sind, dass etwas
verdächtiges vorgeht, besprechen sie es mit freunden und bekannten. es
gibt keine bessere methode, um die wahren freunde von den wölfen im
schafspelz zu trennen, die in undurchsichtiger weise da mit im spiele
sind. jene werden sich nämlich trotz – oder gerade wegen – ihrer
geriebenheit dadurch verraten, dass sie ihnen einreden wollen, ihre
annahme habe weder hand noch fuss. für sie wird das keine überraschung
sein, denn es versteht sich von selbst, dass, wer ihnen schaden will,
das nicht offen zugibt. er wird sie vielmehr scheinheilig von ihrem
angeblich unbegründeten verdacht abbringen und von seinen guten,
freundlichen absichten zu überzeugen versuchen. und damit wissen sie
nicht nur, wer mit im komplott drinsteckt, sondern auch, dass an der
ganzen sache wirklich etwas sein muss, denn warum würden jene »freunde«
sich sonst so anstrengen, sie vom gegenteil zu überzeugen?

wer sich diesen übungen gewidmet hat, kommt zur einsicht, dass (...)
auch der durchschnittsbürger es fertigbringen kann, durch dieses
besondere geistige training zum punkte zu gelangen, wo er eine
schwierige situation selbst erschafft und doch keine ahnung hat, sie
erschaffen zu haben. hilflos dem spiel unbeeinflussbarer vorgänge
ausgeliefert, kann er völlig glaubwürdig nach herzenslust an ihnen
leiden.

aus: anleitung zum unglücklichsein
von: paul watzlawick

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a n a . w o r d s
aus dem hellblauen salon

furcht und schrecken seit 1997

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