ana.words, ein pfingsttag 11/11

ana.words, ein pfingsttag 11/11
17. August 2001 michael
In Allgemein
11/11 

SERGEJ AUSLAENDER Ein Pfingsttag 


"Und noch eines", fuegte Wolodja hinzu. "Vielleicht ist es
auch grausam von mir, aber ich muss darauf bestehen, dass
wir schon heute abend heimfahren. Ich habe es den Eltern
versprochen und glaube, dass es gar keinen Sinn hat, sie
noch mehr zu reizen und neue Komplikationen
heraufzubeschwoeren. Ueberrede bitte auch Wjera, heute
abzureisen."

"Gut, ich will mit ihr sprechen", sagte Aljoscha leise.

"Du darfst aber nicht so den Mut sinken lassen. Du siehst ja
wie erschlagen aus: Ich habe dir nichts Unangenehmes gesagt.
Alles haengt nur von dir und Wjera ab. Ich werde jedenfalls
mein moeglichstes tun, um euch zu helfen."

Wjerotschka wartete schon auf dem Balkon mit grosser
Ungeduld auf das Ende ihrer Unterredung.

"Was hat dir Wolodja gesagt?" fragte Wjerotschka erregt,
Aljoscha bei der Hand nehmend.

Sie merkte gar nicht, dass sie ihn ploetzlich mit "du"
ansprach, und auch Aljoscha merkte es nicht.

"Schnell, schnell doch, ich muss alles wissen! Was hat er
Ihnen alles gesagt? Sie sind ganz blass!" bestuermte sie ihn,
auch selbst blass vor Erregung.

Sie gingen in den Garten. Wjerorschka hielt Aljoscha bei der
Hand, und so gingen sie lange um das runde Beet herum.

"Wolodja sagt, dass Sie heute noch abreisen sollen", sagte
Aljoscha, als ob das das wichtigste waere. "Er sagt, dass wir
alles endgueltig beschliessen muessen..."

"Was beschliessen?" fragte Wjerotschka.

"Das... das wegen der Heirat. Er sagt, dass wir es sehr
schwer haben werden, und dass es fuer Sie schwer sein wird."

Wjerotschka sagte nachdenklich:

"Ja, zu schwer. Ich habe darueber nachgedacht. Er irrt aber,
wenn er mich fuer so schwach haelt. Wenn es noetig ist, kann
ich alles tragen und auf alles verzichten. Ja, das kann
ich." Sie sprach noch lange mit grossem Eifer und unterbrach
sich ploetzlich selbst: "Wozu uebrigens alle diese Gespraeche?
Es ist doch nur ein Scherz. Wie dumm! Finden Sie es nicht
auch?"

Sie blieben stehen und blickten einander fragend an.

"Nein, es ist kein Scherz", sagte Aljoscha leise. "Es kann
unmoeglich nur ein Scherz sein."

Wjerotschka liess seine Hand los und ging, den Kopf gesenkt,
allein weiter. Aljoscha folgte ihr. Am Ende des Weges trafen
sie sich wieder. Wjerotschka hob den Kopf. Ihr Gesicht war
wie umschleiert.

"Und Sie, koennen Sie es? Sie sind so schwach, es wird Ihnen
zu schwerfallen."

Aljoschka fuehlte sich ploetzlich von Zaertlichkeit und Freude
ueberstroemt. Er dachte nicht mehr an alle die schweren
Zweifel.

"Nein, nein, nein!" wiederholte er immer wieder. "Mir wird
es so gut gehen, alles wird gut werden. Meine Liebe, meine
Liebe..."

Die Sonne stand tief ueber dem Teich, aus dem Dorfe toente die
Ziehharmonika, und auf der Terrasse wurde der Teetisch
gedeckt. Aljoscha und Wjerotschka standen wie gebannt vor
einem Fliederbusch, blickten einander laechelnd an und fanden
keine Worte.

Wjerotschka beugte sich ueber den weissen Flieder, pflueckte
eine fuenfblaettrige Bluete und sagte:

"Ich habe das Glueck gefunden!" Seufzend fuegte sie hinzu:
"Aber wir muessen heute noch abreisen. Wolodja hat recht."

Die Maedchen kamen gelaufen, um sie zum Tee zu rufen.

Sie gingen Arm in Arm, ganz ungeniert und ohne etwas zu
verheimlichen, und Woladja laechelte ihnen von der obersten
Stufe der Terrasse zu, als ob er ihren Entschluss begruesste.

Und Aljoscha und Wjerotschka stiegen ruhig, sicher und
heiter die mit Birkenzweigen geschmueckte Treppe hinauf.


>> schoen wars
>> der russische symbolismus
>> das naexte mal wieder mit unvollendeten suiziden

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a n a . w o r d s
aus dem hellblauen salon

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