ana.words, die Rede vom Kaese

ana.words, die Rede vom Kaese
1. August 2000 michael
In Allgemein
Die Geschichte der Schweiz begann mit einem Kaese. Ganz am
Anfang dieses Landes - dessen Geburtstag wir heute feiern -
war, stand oder lag der Kaese.

Dies habe ich vor ziemlich langer Zeit irgendwo gelesen. Ich
konnte nicht viel damit anfangen, und doch blieb der Gedanke
irgendwie haengen. Vielleicht weil wir alle immer gerne
irgendwelche Urspruenge erkunden. Um dann in diesen Wurzeln
so was wie unsere Identitaet zu finden. Um Identitaet geht
es schlussendlich auch am heutigen Tag: die Identitaet
dieses Landes. Der Kaese liefert da die erwuenschte einfache
Antwort. Nichts symbolisiert so treffend unser Land.

Sehr wahrscheinlich begann die Schweiz mit einem Urner
Bergkaese, wie er heute wieder im Bio-Sortiment von Coop
auftaucht. Und die weitere Geschichte unseres Landes liest
sich wie die Fusion verschiedener Kaese-Regionen. Nach dem
Emmentaler schafften wir mit dem Gruyere dann auch den
Sprung ueber die Sprachgrenze und so fort. Natuerlich gab es
auch Kaempfe und Kriege, wie es sich fuer eine richtige
Geschichte gehoert. Doch heute liegen alle diese Kaese
friedlich nebeneinander in der Kuehlvitrine. Dieses Bild ist
fuer mich die Identitaet der Schweiz. Aber diese Identitaet
waere halb so spannend, wenn nicht daneben noch Dutzende von
Kaesen mit den verschiedensten Ursprungslaendern den Appetit
wecken wuerden. So ungewohnt die einzelnen Kaese aussehen
moegen, wir koennen es nicht lassen, ab und zu wieder einen
neuen zu entdecken. Wer wollte sich heute wirklich mit
Emmentaler uns Tilsiter begnuegen? Und gibt es ein
schoeneres Bild fuer einen Melting Pot als das Fondue?

Ja, dies ist eine Multikulti-Rede. Und wie immer aus
aktuellem Anlass: Diesen Herbst wird der stimmberechtigte
Teil der Bevoelkerung darueber entscheiden, wie viele
Menschen ohne weisses Kreuz auf dem Pass in unserem Land
Platz haben. Anscheinend haben einige Leute mehr Probleme
mit Menschen ohne Schweizer Pass als mit dem fremden Kaese.
Nachdem wir bei den Waren fast alle Zoelle abgebaut haben,
will die 18-Prozent-Initiative jetzt sozusagen eine
Importbeschraenkung fuer Menschen einfuehren. Die Identitaet
meiner Schweiz steht auf dem Spiel.

Im Mai dieses Jahres habe ich im Magazin gelesen, dass in
der Schweiz mittlerweile mehr Mozzarella als Emmentaler
gegessen wird. Das finde ich irgendwie beruhigend.

Gedanken zum 1. August 2000 von Daniel Furter

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