ana.words, berg in der eile

ana.words, berg in der eile
9. April 2025 tbz
In sex, drugs and techno
so. tbz hatte sich bisschen in was verbissen
und musste dann was zu beissen haben
und hat nun eine to-do-liste
die etwas ambitioniert scheint
und ui, ana.words, ui!
wo bleibt die zeit heut?!

aber also, es sich einfach machen
und mal wieder
einfach frau berg predigen lassen:




es sind die kleinen massnahmen

«schenken sie, was sie an güte besitzen, drei, vier menschen, nicht der menschheit.»
joseph roth

wann immer ich mich bei universalen weltrettungsideen beobachte,
versuche ich mich zu beruhigen. ich werde den judenhass nicht ausrotten,
ich werde die armut in unserem land (immerhin bin ich da schon in einer
verkleinerung angelangt) nicht aufheben. es wird mir nicht gelingen, die
digitale überwachung zu bekämpfen. dass alte menschen mit respekt und
güte behandelt werden und nicht als last, dass frauen nicht mehr
ermordet, kinder nicht mehr misshandelt werden, dass die ganze welt sich
entwaffnet – ich werde es nicht im alleingang begradigen.

ich werde die welt nicht retten, und das hat einige gründe.

ich bin mir nicht sicher, ob «die welt» von mir gerettet werden will.
ich habe keine energie, um eine revolution anzuleiten, eine partei zu
gründen, eine bewegung zu initiieren. ich habe keine zeit für die gerade
genannten aktivitäten, denn ich muss arbeiten, und zwar mehr als früher,
um nicht am inneren strassenrand zu landen. ein guter aufruhr
vermeidender trick ist es, die menschen so auszubeuten oder zur
selbstausbeutung zu zwingen, bis sie nur noch ins bett fallen können,
und froh sind, ein bett zu haben.

um die welt retten zu wollen, braucht es einen grössenwahn, der den
meinen übersteigt. weltverbesserer und revolutionsführerinnen gehen
davon aus, kraft ihres überragenden verstandes im namen vieler sprechen
zu können. wer schon einmal mit ein bis zwei menschen gesprochen hat,
weiss, dass man fast immer vom eignen lebensentwurf ausgeht, an dem man
andere misst. so oft ist man überrascht, dass menschen selbst banale
themen komplett anderes betrachten als man selbst. visionen gutmeinender
weltretter beginnen oft mit anmassung, beinhalten bevormundung, träume
von diktatur, die natürlich nie so genannt würde und – enden in
kompletter frustration. was bedeutet es also, wenn man versteht, dass
man nicht das hellste licht ist und sich den grossen wurf nicht zutraut?
soll alles bleiben, wie es ist?

schlafen, liegenbleiben, ausharren oder sich in seinem umfeld einsetzen,
da, wo man sich auskennt, dort, wo man etwas bewegen kann. eine
quartierzeitung gründen oder einen waschsalon für menschen ohne eigene
maschine eröffnen, zeug reparieren, freundlich sein, helfen, verstehen,
das wir nur zusammen überleben können. es sind die kleinen massnahmen,
die die welt nicht retten. aber das leben eines einzelnen oder weniger.
das ist viel mehr, als frustriert die welt retten zu wollen, die, wie
gesagt, darum gar nicht gebeten hat.

sibylle berg

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a n a . w o r d s
aus dem hellblauen salon

furcht und schrecken seit 1997

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dass es die ganze welt erfaehrt, oder
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