ana.words, beleidigungen, radiohoehren und dienstmaedchen

ana.words, beleidigungen, radiohoehren und dienstmaedchen
21. März 1999 michael
In Allgemein
das verhalten bei beleidigungen

ein mai-sonntagnachmittag.
ausnahmsweise strahlender himmel. sie trinken gemuetlich
ihren schwarzen kaffee im garten, rauchen eine grosse
zigarre und vergessen ob der pracht des jungen fruehlings
krise und sorgen. ploetzlich toent's mit stentorstimme, wie
aus einem hohlen fass heraus: "der reichsbankleitung bleibt
also in anbetracht der sich stets verschlechternden
devisenlage nichts anderes uebrig, als..." ihr nachbar hat
in anbetracht des schoenen wetters das fenster geoeffnet,
und sie haben nun das vergnuegen, einem radiovortrag ueber
die finanzlage des deutschen reiches zuzuhoeren. im ersten
aerger brausen sie auf:"das ist doch ein
ruecksichtslosigkeit ersten ranges, etwas idiotischeres
als..." ihre frau faellt ihnen ins wort: "emil, drueck dich
doch nicht so uebertrieben aus, rots haben nun seit drei
monaten einen radio, und es ist das erstemal, dass wir ihn
ueberhaupt hoeren!" aber das unglueck ist schon geschehen.
am naechsten tag kehrt frau rot ihrer frau ostentativ den
ruecken. der keim zu einer jahrelangen feindschaft ist
gelegt. warum? herr rot ist empoert ueber die art, wie sie
sich ueber ihn geaeussetr haben. immer hat er sich muehe
gegeben, ein ruecksichtsvoller radiohoerer zu sein. und nun,
weil sein kleiner junge ein einziges mal in abwesenheit der
eltern bei offenem fenster den lautsprecher spielen liess,
wird herr rot als ruecksichtsloser idiot tituliert. rots
dienstmaedchen hat naemlich den zwischenfall frau rot
hinterbracht; es weiss ihn von der putzfrau und diese von
ihrem dienstmaedchen, das den ausspruch hoerte, als es den
kaffee servierte. fuerjeden, der mit seiner umwelt in
frieden leben will, gelten deshalb zwei wichtige regeln: 1.
man aeussere sich nie unguenstig ueber andere personen, wenn
die kleinste moeglichkeit besteht, dass die betreffenden
davon kenntnis bekommen koennen. 2. man vermeide es unter
allen umstaenden, sich unguenstige aussprueche, die andere
ueber uns gemacht haben, erzaehlen zu lassen.


aus:"der schweizerische knigge. ein brevier fuer
zeitgemaesse umgangsformen"
schweizer spiegel verlag zuerich, 1938 

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