ana.words, behaarte oberflaeche

ana.words, behaarte oberflaeche
13. November 2009 tbz
In Allgemein
die haarsteuer

die haarsteuer, die lange umstritten gewesen war, wurde
schliesslich doch eingefuehrt. man sagte, der verein der
hamsterliebhaber haette diese reform veranlasst. die
hamsterliebhaber fanden es naewmlich schon immer ungerecht,
dass man fuer einen hamster genausoviel saeugetiersteuer
zahlen musste wie fuer einen schaeferhund. deshalb schlugen
sie vor, die hoehe der saeugetiersteuer nach der groesse der
koerperoberflaeche der tiere zu bestimmen. das finanzamt
akzeptierte den vorschlag, musste aber den begriff der
koerperoberflaeche vermeiden, da es sonst wegen der
diskriminierung fetter menschen aerger gegeben haette.
einem, der von der groesse der koerperoberflaeche spricht,
fehlt es an politischer sensibilitaet. so entstand die
idee, den begriff der "behaarten oberflaeche" einzufuehren.
mit diesem ausdruck wurde deutlich, dass nicht menschen,
sondern andere saeugetiere gemeint waren. dabei vergass man
aber zu beruecksichtigen, dass inzwischen auch gegenstaende
behaart sein koennen. durch die gentechnologie war es zum
beispiel moeglich geworden, auf der oberflaeche eines
stuhles oder eines bettes haare wachsen zu lassen. unter
jungen karrieremenschen entstand daher rasch eine neue
moebelkultur. sie bekamen endlich etwas zum streicheln und
zum umarmen, das aber pflegeleicht und nicht liebessuechtig
war. auf jeden fall war die steuerreform nachteilig fuer
liebhaber behaarter moebel, denn nach der neuen
steuerregelung musste man jede behaarte flaeche versteuern.
sie waren aber nicht die einzigen, die wesentlich mehr
steuern zahlen mussten als vorher. eines tages behauptete
eine gruppe von beamten, dass frauen, dem gesetz nach ihre
beine versteuern muessen, falls sie behaart sind. einige
pensionierte beamte fuehrten sogar ehrenamtlich kontrollen
an badeorten durch. studentinnen, die wenig geld besassen,
rasierten ihre arme und beine, um keine steuer fuer behaarte
oberflaechen bezahlen zu muessen. die haare auf dem kopf
liessen sie jedoch weiter wachsen, denn der kopf war
steuerfrei. auch die meisten maennlichen studierenden
rasierten ihren koerper. maenner wurden zwar selten
kontrolliert, aber sie wollten kein risiko eingehen. das
studium war schon riskant genug, in allen anderen
lebensbereichen wollten sie deshalb lieber sicherheit. nur
grosse geschaeftsleute, politiker und ihre ehefrauen lagen
unrasiert wie baeren an den straenden. der behaarte koerper
wurde zum statussymbol. die armut dagegen war nackt, glatt
und weich. unter managern herrschte die mode, auch aus
armbanduhren, taschenrechnern und scheckkarten haare von der
gleichen farbe wie ihre koerperhaare wachsen zu lassen. die
teuren hormonspritzen, die man dafuer brauchte, konnte man
von der steuer absetzen.

von yoko tawada
gefunden im
konkursbuch haare

der gscheiteste text zum thema koerperbehaarung, ha!
und valerie hat uebrigens geschrieben... aber das dann
naexte woche
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