ana.words, auf ein neues

ana.words, auf ein neues
4. Januar 2022 tbz
In ana.bildwords
liebe ana.lesers

willkommen in diesem glitzernden neuen jahr!

eigentlich wollte euch tbz ja schon 
mit einem silvester- und einem neujahrs.word begluecken. begatten. beirgendwas.
doch es gab einloggprobleme.
nun geht es wieder.
zwei moegliche gruende:
- it fixed itself
- mahal machte "etwas mit computern"

anyway.
dieses jahr ist offenbar
twenty-twenty two.
also 2020-2.
dabei war doch noch 2021 dazwischen.
war das nicht 2020 teil 2?
also waere vielleicht 2022
twenty-twenty three?
aber das waere wiederum naextes jahr.
huch, es ist grad sehr verwirrend!
aber vielleicht war's gar nicht twenty-twenty two
sondern twenty-twenty too?
naja, egal, beispielbilder angehaengt.

nun aber. zu neujahr wollte euch tbz
natuerlich mal wieder eine berg'sche predigt senden.
also frau (they/them) bergs realistische neujahrswuensche.
hier:
https://bit.ly/3HwOu8u

und zu silvester haette es einen artikel
gegeben, den tbz sehr fein geschrieben fand.
der sei nun im folgenden angehaengt.

HAPPY NEW YEAR!
don't sit tight and assess.

.-.-.-.-.-.-.

**Kommentar zum Jahreswechsel**

*Die Pandemie rief nach Gemeinsinn, und es kam der Irrsinn*

Corona hat gezeigt, wie unberechenbar die Zukunft ist. Wirklich
ernüchternd aber ist, dass die Gegenwart unentzifferbar geworden ist.
Ein Kommentar zum Jahreswechsel von Blick-Chefredaktor Andreas Dietrich.


Keine Prognosen, keine Prophezeiungen! Wer heute denkt, etwas über das
kommende Jahr zu wissen, wacht morgen als Hochstapler auf. So viel ist
sicher. Alles andere nicht.


Die Zukunft ist eine wilde Häsin, die eigenwillig ihre Haken schlägt.
Trotzdem habe ich bis vor kurzem gemeint, ihren Lauf vielleicht doch ein
bisschen voraussehen zu können. Manchmal trafs ja zu, das konnte kein
Zufall sein.

Selbst wer in Tarot-Karten nur bedrucktes Papier sieht und in Horoskopen
bestenfalls Kurzpoesie: Auch der gegenwärtigste Realist ist nicht gefeit
vor der Versuchung, mehr wissen zu wollen, als er wissen kann.
Abgrundtiefe Ahnungslosigkeit verunsichert zu sehr. Sie macht Angst, ist
zu viel Nichts für uns. Der Mensch braucht Boden unter den Füssen. Auf
diesen baut er gern auch sein Häuschen, mit Vorratskeller,
Blitzschutzanlage und Hausratversicherung. Sich wappnen für die Zukunft
gibt das beruhigende Gefühl, ihr nicht gänzlich ausgeliefert zu sein.
Fast schon zu wissen, wie der Hase läuft. 

*Keine Ahnung*

Das ist vorbei. Wir erleben, dass wir keine Ahnung haben. Auch diese hat
uns die weltumspannende Seuche genommen. Sie ist vor zwei Jahren – so
kurz ist diese Ewigkeit her! – über uns hereingebrochen und hat
erschüttert, was war und was hätte sein können. Natürlich gab es ein
paar Warner und Wahrscheinlichkeiten, dass so etwas eintreffen könnte.
Aber doch nicht jetzt. Nicht hier. Nicht überall. Sicher nicht für mich.

Doch genau so kam es. Am 31. Dezember 2019 meldete China den Ausbruch
einer mysteriösen Lungenkrankheit, einen Namen hatte sie noch nicht. Die
Ausblicke der Medien an exakt diesem Tag handelten von allerlei, was die
anbrechenden Zwanzigerjahre prägen könnte. Blick setzte auf digitale
Revolution, Klimawandel und China. Als Weltmacht. Das kratzte zwei
Monate später niemanden mehr, dafür kannte jeder den Tiermarkt von
Wuhan. Wer also wäre ernst zu nehmen, der heute sagt, was 2022 kommen
wird? 

*Völlig anders*

Es ist schwer genug, sich Voraussagen für die Zukunft zu verkneifen.
Noch schwerer auszuhalten ist, keine Erklärung für die Gegenwart zu
haben. Mir ergeht es so: Ich verstehe nicht mehr, wie uns geschieht. Das
unentzifferbare Jetzt treibt mich mehr um als das unberechenbare Morgen.

Letztes Jahr hatte ich gemeint: Eine Pandemie sei etwas
Unverhandelbares, Undiskutables. Wenn eine Seuche alle bedroht, dann
würden alle alles tun, um sie einzudämmen und zu beenden. Es gäbe nichts
Wichtigeres. Die fremdbestimmte Ausnahmesituation zusammen überwinden,
damit jeder und jede wieder selbstbestimmt leben kann. Die jedenfalls,
die überleben.

Dieses Jahr hatte ich gemeint: Wir alle seien erleichtert, als die
herbeigesehnte Impfung Tatsache wurde. Wir seien dankbar, dass wir uns
nun auf die bestmenschenmögliche Art schützen können. Wir seien stolz
auf unsere Spezies, die in so kurzer Zeit zu einer solch herausragenden
Leistung fähig ist.

Manches mehr hatte ich gemeint, und bei alledem, es handle sich um
gesunden Menschenverstand. Es kam anders. 

*So weit sind wir nun*

Wir keifen über Masken, Massnahmen, Booster, Bundesratsentscheide. Wir
erkennen nicht einmal die Lächerlichkeit, in einer Pandemie das Wort
«Kantönligeist» auszusprechen. Geimpfte prahlen mit Selfies, Impfgegner
feiern die Ignoranz. Alarmisten gegen Zuversichtliche, Besonnene gegen
Beschöniger. Ärztinnen, die aus der Intensivstation heraus erschöpft an
die Vernunft appellieren, werden von ihren künftigen Patienten verhöhnt.
Laien belehren Wissenschaftler. Rücksichtslosigkeit heisst jetzt
Widerstand. Demokratie wird als Diktatur verunglimpft, am Tag einer
Volksabstimmung. Freiheit ist zur Faktenfreiheit geschrumpft, Sturheit
zur Skepsis geadelt. Und noch der kleinräumigste Gedanke hält sich für
eine Weltanschauung.

*Die Pandemie rief nach Gemeinsinn, und es kam der Irrsinn.*

Ich verstehe wirklich nicht, wie wir dahin gekommen sind. Irgendwie
kommen wir da raus, bloss weiss niemand wie und wann. Keine Prognosen,
keine Prophezeiungen. 

*Eine Wimper für die Zukunft*

Zum Glück gibt es dennoch Möglichkeiten, uns an die Zukunft zu wenden.
Auf stille, zurückhaltende Weise: hoffen, träumen, wünschen.

Eine besonders zärtliche ist jene, von der Eltern ihren Kindern
erzählen: Wenn dir eine Wimper ausfällt, lege sie auf einen Finger,
flüstere dir einen Wunsch zu, ganz leise, damit ihn niemand hört, und
puste die Wimper weg. So geht dein Wunsch vielleicht in Erfüllung.

Es ist ein Aberglaube. Doch er erscheint mir nicht irrationaler als
vieles, das derzeit geschieht. Und schöner ist es allemal: sich
vorzustellen, dass wir heute in der Silvesternacht viele sind, die sich
sehr Ähnliches wünschen. Die Kleinen tuns mit einer Wimper, die Grossen
mit Champagner.

.-.-.-.-.-.-.

es bleiben fragen offen:

[ ] haesin
[ ] hase
[ ] sex
[ ] ...

-- = --    -- = --    -- = --     

a n a . w o r d s
aus dem hellblauen salon

furcht und schrecken seit 1997

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