ana.words, auf den katechismus wixen

ana.words, auf den katechismus wixen
21. August 2000 michael
In Allgemein
Muss man eigentlich alles tun, was erlaubt ist?


In der Zeitung las ich, dass Katholiken jetzt onanieren
duerfen oder wahrscheinlich sogar muessen. Denn kein
Geringerer als der Vatikan selbst hat in der neusten
Katechismus-Ausgabe die Weisung erlassen, dass Onanie fortan
nicht mehr als Todsuende zu betrachten sei, sondern nur noch
als laesslicher Fehlgriff in lauer Nacht. "Wer will", sagt
der Katechismus, "der darf."

Als glaeubiger Katholik setzte ich mich natuerlich sofort
aufs Fahrrad. Waehrend meiner Suche nach einem geeigneten
Kiosk fiel mir auf, dass neunundneunzig Prozent der
Kioskangestellten Frauen sind. Endlich fand ich einen
winzigen Tabakladen mit ausschliesslich maennlichem
Personal.

"Guten Tag", sagte ich zum Verkaeufer, "haben Sie schon den
neuen Katechismus gelesen?" "Penthouse ist neu", sagte er
und nickte in Richtung eines Regals. "Es ist jetzt naemlich
praktisch Pflicht", sagte ich. Nachdem ich das Angebot des
betreffenden Zeitschriftenregals studiert hatte, entschied
ich mich fuer die deutsche Ausgabe des "Playboys", und zwar
aus zwei Gruenden. "Erstens", sagte ich zum Verkaeufer, "ist
dies ein renommiertes Blatt, in dem meines Wissens sogar
Guenter Grass schon publiziert hat. Und zweitens macht mir
die Dame auf dem Titelblatt von allen den intelligentesten
Eindruck." "Es ist bestimmt eine Professorin", murmelte der
Verkaeufer. "Und nun haette ich noch gern die groesste
Zeitung, die Sie haben. Es muessen ja", sagte ich, "nicht
alle Leute wissen, dass ich katholisch bin." Er empfahl mir
die "Zeit", die sich wirklich hervorragend dazu eignete, den
"Playboy" hinein-zustecken.

Zu Hause erzeugte ich dann eine erotische Atmosphaere. Ich
schluepfte in mein hautenges Batman-Kostuem vom letzten
Fasnachtsball, zuendete Kerzen an und fuellte zwei Glaeser
mit Champagner, eins fuer mich und eins fuer die Dame auf
dem "Playboy"-Titelblatt. "Auf dich und mich", fluesterte
ich, schaute ihr tief in die leicht retouchierten Augen und
empfand einen ersten Anflug von Leidenschaft. Sozusagen
begann der neue Katechismus bei mir zu wirken. "Du machst
ein Tier aus mir", knurrte ich. Dann leerte ich mein Glas in
einem Zug und warf es nach Kosakenart an die Wand! Mein Atem
ging heftig wie der eines hyperventilierenden
Schockpatienten! "Komm her", fluesterte ich, "ich will dich
entblaettern." Willig liess sie es geschehen! Mit zunehmend
heisseren Ohren blaetterte und blaetterte ich, bis ich auf
Seite 93 las, dass sie Monica hiess. Das enttaeuschte mich,
denn ich hatte sie fuer origineller gehalten. Ausserdem
sagte sie: "Maenner sind wie Scheibenwischer: einmal hin,
einmal her. Auch wenn es gar nicht regnet!" Mich froestelte.
Aber weil es sexuell zwischen uns so gut klappte, wollte ich
Monica noch eine Chance geben. Ich legte den "Playboy" im
Schlafzimmer auf mein Kopfkissen, schaelte mich vor Monicas
Augen aufreizend langsam aus meinem Batman-Bodysuit und
wollte dann ein bisschen kuscheln. Aber auf Seite 94 sagte
Monica: "Er muss gross sein. Und schlank. Ein Mann muss mich
beschuetzen koennen." Ja Himmelherrgott! Ich sprang aus dem
Bett, rief den Erzbischof an und sagte: "Vergeben Sie mir,
Hochwuerden, aber so kann man einfach nicht onanieren!"

Von Linus Reichlin
Weltwoche Nr. 12/99, 25.3.1999

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