mahalwords, sonntagszeitung, primarschueler

mahalwords, sonntagszeitung, primarschueler
28. November 1997 michael
In mahalwords
Sonntagszeitung:

Die Primarschulen sind voller "Pimmellutscher"

Erwachsenen wackeln die Ohren: Kleine Kinder provozieren mit
Vokabular der groebsten Sorte

VON BIRGITTA WILLMANN

Dass Halbwuechsige sich nicht immer salonfaehig ausdruecken,
daran hat man sich schon fast gewoehnt. Aufgeschreckt werden
Eltern und Lehrer jetzt aber, weil zunehmend auch
ABC-Schuetzen einen zotig sexualisierten Gassenjargon
pflegen. Und niemand weiss so recht, wie man darauf
reagieren soll.

>>jaja die hautige hugend. zu unserer zeit hatte es sowas
nicht gegeben

Schulpause. Peng. Mit einem satten Knall prallt der Fussball
auf den Ruecken der neunjaehrigen Melanie. "Hey, du
Pimmellutscher, kannst du nicht aufpassen", schreit sie dem
gleichaltrigen Schuetzen empoert zu. Der wiederum, keineswegs
beeindruckt, zeigt ihr den Stinkefinger und kontert cool:
"Verfick dich doch, du Strassennutte." Nebenan spielt eine
Gruppe von Drittklaesslern "Nuttenfangis", wobei die Buben
die Maedchen einfangen, anschliessend auf den Boden werfen
und sie festhalten, waehrend sie Rammelbewegungen
simulieren.

>>das haben wir aber wirklich nicht gemacht (schade
eigentlich)

Eine Primarschule in einem Milieuviertel? Mitnichten: Die
oben beschriebene Situation trifft man in fast jeder
Schweizer Primarschule an.

>>in der oberstufe wird da nichts mehr simuliert sondern
echt gerammelt

Unter Lehrern ist es laengst kein Geheimnis mehr, was Eltern
zunehmend irritiert: Die Sprache von Erst- bis
Viertklaesslern nimmt sich oft aus, als wuerden die suessen
Sechs- bis Zehnjaehrigen in ihrer Freizeit nichts anderes
als Porno- und Gewaltvideos konsumieren. Tim, 10, beschimpft
seine Schwester Nina, 8, mit "Huere Lesbierin", waehrend er
fuer sie ganz klar eine "Schwulendrecksau" ist. "Wichsen",
"bumsen" und "ficken" gehoeren fuer die Kleinen so
selbstverstaendlich zum Wortschatz wie fuer Erwachsene das
frueher verpoente "geil".

>>das mit dem wichsen, bumsen und ficken war bei uns ja auch
so aber lesbierin >>ich habe das nicht mal als
zwanzigjaehriger in meinem wortschatz (lesbe)

Die Eltern muessen sich aufregen und auf den Tisch hauen

Kinder- und Jugendpsychologen sprechen bereits von einer
"sexualisierten Sprache" der Primarschueler. Und finden das
nicht erstaunlich: Die Kinder werden beeinflusst durch eine
zunehmend sexualisierte Welt. Das jedenfalls meint Eva
Zeltner, Kinderpsychologin in Zuerich. Und den Kindern selbst
scheint dieser Umstand weitaus weniger Probleme zu bereiten
als ihrer erwachsenen Umwelt.

>>sexualisierte welt? ich habe heute einen werbespot
gesehen, da ueberrascht man die >>spielzeugpuppe wie sie mit
dem slip in der kniekehle auf der toilette sitzt >>in ihrem
skala-familie-haus

Vor allem Lehrer werden staendig mit Situationen
konfrontiert, in denen sie Stellung beziehen muessen.
"Manchmal", sagt Rene Egli, Primarlehrer aus Stein am Rhein,
"entstehen da wirklich heikle Situationen, die viel
Fingerspitzengefuehl erfordern und in denen ich mir
letztlich nicht sicher bin, wie sie optimal geloest werden
koennen." In Bern beispielsweise tyrannisierten
Schuelerinnen eine Lehrerin mit obszoenen Briefen, in denen
sie als "Fotzenlutscherin" bezeichnet wurde.

"Derartige Ausdruecke koennen die Lehrer auch persoenlich
belasten, nicht jeder kann souveraen mit Sexualitaet
umgehen", hat die Psychologin Maja Storch beobachtet. Bei
ihrer Arbeit am Lehrstuhl fuer Paedagogische Psychologie der
Universitaet Zuerich ist sie haeufig mit verunsicherten
Lehrern konfrontiert. "Die wissen zwar wunderbar, wie man
die Geschichte vom Ei und vom Sperma erzaehlt, aber wenn es
um die dunkle Seite der Sexualitaet geht, sind sie
ueberfordert oder persoenlich getroffen." Und sie stellen
sich die Frage: Was tun? Macht es Sinn, mit einzelnen zu
reden? Soll die ganze Klasse aufgeklaert werden? Oder laeuft
man Gefahr, Kinder, die im Primarschulalter oft sehr
unterschiedlich reif sind, zu ueberfordern?

>>oder laeuft man gefahr die verklemmten lehrer zu
ueberfordern

Viele koennen sich mit acht Jahren unter "Ficken" nichts
Konkretes vorstellen. Oder genauer gesagt: Sie wollen sich
auch gar nichts Konkretes vorstellen, stellt der Zuercher
Jugendpsychologe Allan Guggenbuehl fest. "Das Kind, das
einen Kraftausdruck benutzt, will keine Aussage machen - es
will etwas bewirken." Mit einem Zweit- oder Drittklaessler
darueber diskutieren zu wollen, ergibt oft wenig Sinn. Das
weiss auch Thomas Boehm, Primarlehrer in Kilchberg. Fuer ihn
ist es sinnvoller, Regeln aufzustellen, an denen sich die
Kinder orientieren koennen: "Ich dulde keine Kraftausdruecke
im Schulzimmer." Und Regula Wild, Primarlehrerin in Adliswil
bei Zuerich, thematisiert die "gruusigen" Woerter, indem sie
den ABC-Schuetzen ab und zu demonstriert, dass sie der
jeweiligen Situation sinngemaess nicht angepasst sind.
"Verbieten nuetzt ja sowieso nichts", meint sie lapidar,
"das macht alles nur noch interessanter."

>> ja ja verbieten verbieten geilllll!!

Eine Aussage, die Psychologen bestaetigen: "Es bringt meist
nichts, den Sinn dieser Woerter zu erklaeren, denn alles,
was die Kinder wollen, ist eine Reaktion", sagt Allan
Guggenbuehl. Und die muss, damit das Kind den erwuenschten
Effekt erzielt, natuerlich empoert sein: "Man soll sich
aufregen, man soll auf den Tisch hauen und sagen, dass man
das nicht hoeren mag", meint der Psychologe. "Das Kind will
in seiner Unheimlichkeit wahrgenommen werden, und es will
spueren, wo beim Erwachsenen die Grenzen sind."

Zu ausfuehrliche Aufklaerung kann kontraproduktiv wirken. So
versuchte eine Primarlehrerin jeweils eine Stunde pro Woche,
ihren Schueler die Bedeutung und Ursache der von ihnen
benutzten Schimpfwoerter zu erklaeren - mit dem Ergebnis,
dass diese immer extremer wurden. Schliesslich stoppte die
Lehrerin ihre Versuche und verbat sich das Benutzen
obszoener Vokabeln in ihrer Gegenwart. Von da weg beruhigte
sich die Situation.

>>also das ist eine fotze. soll jemand seinen schwanz
auspacken, dann zeige >>ich euch was ficken ist.

Auch viele Eltern wissen nicht recht, wie sie auf den Umgang
ihrer Sproesslinge mit Zotigem reagieren sollen. "Du, Papi",
sagt etwa das achtjaehrige Soehnchen beim Fruehstueck zum
Vater, "soll ich dir erklaeren, was ein G-Punkt ist?" Und
dann haelt er ihm die Jugendzeitschrift "Bravo" unter die
Nase. Bei Sophia und Andrea wiederum, beide neun, treiben's
Ken und Barbie heftig miteinander, samt dazugehoerender
Geraeuschkulisse. Und Maxi, gerade erst acht, hat seinen
Vater stundenlang damit genervt, ihm zu zeigen, wie man den
Pariser ueberstuelpt. "Das Dumme ist", meint Allan
Guggenbuehl, "dass sich Eltern und Lehrer gegenseitig die
Schuld in die Schuhe schieben." Die Lehrer haben das
Gefuehl, die Kinder braechten das Verhalten aus dem
Elternhaus mit, die Eltern glauben, ihre unschuldigen
Engelchen wuerden in der Schule verdorben.

>>das dumme ist, das der papi nicht weiss wo der g-punkt
ist, ken und barbie >>die geraeuschkulisse aus papis porno
kennen und maxi den pariser viermal >>schneller ueberziehen
kann als sein Vater

Beides stimmt nicht. Guggenbuehl: "Eltern und diverse
Paedagogen sind naiv, was ihre Vorstellung von sexueller
Phantasie bei Kindern betrifft. Und sie verhalten sich so,
als beginne das Sexualleben erst mit der Pubertaet." Dabei
ist die kindliche Phantasie zu allem, was die fremde und
daher unheimliche Sexualitaet der Erwachsenen betrifft, sehr
ausgepraegt. "Insofern ist das provokative Einsetzen von
Ausdruecken aus der Sexualsprache", so Guggenbuehl, "auch
eine Schutzmassnahme, um sich die Sexualitaet vom Leib zu
halten. Denn das Kind spuert, dass Erwachsene mit ihrer
Sexualitaet nicht locker umgehen. Diesen Schwachpunkt will
es austesten, andererseits macht ihm das Unbekannte auch
Angst."

Die Kinder wollen ueber die Reaktion der Erwachsenen lernen

Hinzu kommt der Gruppendruck: Kinder wollen, wichtig fuer
sie, irgendwo dazugehoeren. "Deshalb bedienen sich alle
derselben Sprache", meint die Primarlehrerin Regula Wild.
Und diese wiederum wechselt von Generation zu Generation.
Frueher, als Religion noch einen anderen Stellenwert hatte,
war schon Gotteslaesterung zuviel, spaeter konnten
"Arschloch" und "geil" noch ernsthaft provozieren.
"Arschloch", so der neunjaehrige Kevin, "brauchen wir nie."
Und wen interessiert es heute, was "geil" wirklich bedeutet?

>>geil heisst super oder?

Der Primarlehrer Thomas Boehm haelt es fuer wichtig, sich
keine allzu grossen Sorgen ueber die versexte Sprache zu
machen: "Meist sind das Phasen, die in der zweiten Klasse
anfangen, in der dritten ihren Hoehepunkt erreichen und dann
wieder abklingen. Spaetestens in der Pubertaet werden
sowieso ganz andere Dinge wichtig." Und fuer Allan
Guggenbuehl steht in dieser Frage die paedagogisch richtige
Reaktion im Vordergrund, denn die Kinder probieren zunaechst
aus und lernen aufgrund der Reaktionen der Erwachsenen, wie
sie spaeter die Woerter situativ richtig verwenden koennen.
Kein Grund zur Panik also. Die Psychologin Eva Zeltner ist
ohnehin ueberzeugt, dass sich Kindern die Faszination des
Obzoenen nicht abgewoehnen laesst.

>> und wie man es ncht den kindern abgewoehnen kann, kann
man es auch >>der ganzen welt nicht abgewoehnen

>>eriz



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