mahalwords, weltwoche, cyberia

mahalwords, weltwoche, cyberia
15. September 1997 michael
In mahalwords
gaehnen im internet

von linus reichlin

wie langweilig und uninteressant das internet im grunde seines wesens ist,
merkt man, wenn man einen vreund, der keinen anschluss hat, davon zu
ueberzeugen versucht, dass er einen breucht. man schleppt ihn in ein
internet-cafe, weil sie dort schnelle standleitungen haben und man den
skeptischen vreundd in seiner skepsis nicht noch bestaerken will durch das
zu hause uebliche zermuerbende hereintroepfeln der daten. dann sitzt man
auf einem barhocker vor dem bildschirm, links der vreund, der darauf
wartet, dass etwas spannendes geschieht. "okay", sagt man, "jetzt zeige ich
dir einmal..." - ja was? was koennte man dem vreund jetzt zeigen? es faellt
einem ploetzlich gar nichts ein, und weil das so ist, tippt man
www.blick.ch ein; immer noch besser als nichts. vor den augen des vreundes
erscheinen ein paar bildli und unterstrichene woerter - "das sind links",
sagt man und klickt einen an, worauf andere bildli und andere
unterstrichene woerter erscheinen. "und warum soll ich die zeitung nicht
weiterhin am kiosk kaufen?" fragt der vreund. man merkt, dass ihm der
unterschied zwischen der gedruckten ausgabe und der digitalen noch nicht
richtig klar ist. "weil..." sagt man und studiert, "...eben wegen der
links!" ruft man. da ist doch hier zum bericht ueber den tod von lady diana
ein link zur offiziellen koeniglichen homepage, "jetzt klicken wir den an"
sagt man, "und schon sind wir im buckingham-palast". aber wie immer wenn
man jemandem etwas zeigen will, klappt es nicht, kriegt man keine
verbindung zur royal homepage. "der server wird ueberlastet sein", sagt
man. "und jetzt?" fragt der vreund. "wir schicken jemandem ein e-mail!" das
wird ihn ueberzeugen, denn e-mail ist die einzige fuer die allgemeinheit
wirklich interessante neuerung, die das internet zu bieten hat. "also los!"
sagt der vreund, der es jetzt wirklich spannend findet - und natuerlich hat
man einen vehler gemacht. seine vreundin, der er am liebsten etwas schicken
moechte, hat keine e-mail-adresse. die allermeisten leute haben keine
e-mail-adresse, "noch" sagt man, "noch..., aber wenn du einen anschluss
haettest und sie auch, koenntet ihr euch jetzt ein e-mail schicken!". "ich
kann sie ja anrufen", sagt der vreund, und irgendwie hat er recht. auf dem
bildschirm noch immer die penetrant gelbe homepage des "blick"...irgendwie
steht einem die ganze welt offen, aber man weiss nicht wohin. fuer
www.penthouse.com ist es noch zu frueh, und www.admin.ch mit all den
statistiken ist nicht der richtige ort, um den vreund von der
vielfaeltigkeit des internets zu ueberzeugen. spiele! spiele sind immer
gut, und auf www.jars.com gibt's eine menge, z.b. ein schoenes "breakout" -
der vreund gaehnt. "oder willst du lieber ballern?" fragt man und laesst
den vreund an die maus, damit er ein wegen der ladezeiten aeusserst einfach
gestaltetes marsschiff in einer graesslich pixligen umgebung abschiessen
kann. "ganz schoen", sagt der vreund, aber wenn er spielen wolle, kaufe er
sich eine cd. am schlusss laedt man den vreund ins kino ein, wo die bilder
ohne wartezeit gestochen scharf erscheinen und erst noch mit ton.

mailto:lreichlin@active.ch



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