ana.words, ode an die zwiebel

ana.words, ode an die zwiebel
30. Mai 1999 michael
In Allgemein
Zwiebel,
leuchtende Phiole,
Bluetenblatt um Bluetenblatt
formte deine Schoenheit sich,
kristallene Schuppen liessen dich schwellen,
und im Verborgenen der dunklen Erde
fuellte dein Leib sich an mit Tau.
Unter der Erde
ward dieses Wunderwerk,
und als dein unbeholfener
gruener Trieb erschien
und deine Blaetter degengleich
sprossen im Garten,
draengten die Erd ihren Reichtum zusammen
und wies deine durchscheinende Nacktheit,
und wie in Aphrodite das ferne Meer
die Magnolie nachschuf,
da es ihre Brueste formte,
also bildete
die Erde dich,
Zwiebel,
hell wie ein Planet
und zu leuchten
bestimmt,
unvergaengliches Himmelszeichen,
rundliche Rose von Wasser
auf dem Tisch
der armen Leute.
Verschwenderisch
laesst du
deinen Globus der Frische zergehen
im verzehrenden Sud
des Topfes,
und der kristallene Saum
in des Oels entfachter Hitze
verwandelt sich in eine gekraeuselte Feder von Gold.
Auch gedenke ich, wie dein Zutun
die Freundschaft des Salates fruchtbar macht,
und es will scheinen, der Himmel hilft mit,
da er dir des Hagelkornes zierliche Gestalt verlieh,
deine feingehackte Helle zu ruehmen
auf den Hemisphaeren einer Tomate.
Aber erreichbar
den Haenden des Volkes
und betraeufelt mit Oel,
bestreut
mit ein wenig Salz,
toetest du den Hunger
des Tageloehners auf muehsamem Wege.
Stern der Armen,
guetige Fee,
eingehuellt in zartes Papier kommst du aus der Erde,
ewig, vollkommen, rein
wie der Gestirne Samenkorn,
und wenn in der Kueche das Messer dich zerschneidet,
quillt die einzige
leidlose Traene.
Du machst uns weinen ohne zu betrueben.
Solange ich lebe,
will ich lobsingen, Zwiebel,
fuer mich aber bist du schoener
als mit blendenen Schwingen
ein Vogel,
fuer meine Augen bist du
Himmelskugel, Platinkelch
beschneiter Anemone
unbeweglicher Tanz,
und der Erde ganzer Duft, er lebt
in deiner kristallinischen Natur.

Pablo Neruda. Das lyrische Werk (Bd. 2). Hg. v. Karsten Garscha.
Luchterhand: Darmstadt, 1985, S. 330

gruss
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